Konfessionskundliche Jubiläen 2009, Teil 2
Das Konfessionskundliche Institut des Evangelischen Bundes in Bensheim gibt einen Internet-Newsletter heraus, für dessen erste Ausgabe etliche der in diesem Jahr zu erwartenden Jubiläen kurz dargestellt werden. Eine Auswahl für die erste Hälfte des Jahres ist in Confessio 1/2009 zu finden, hier folgt Teil 2 für die Monate Juni bis Dezember. Wer die Texte zu allen Jubiläen haben möchte, abonniere den Newsletter: http://www.ki-bensheim.de/service/newsletter.html
10.07.1509 Johannes Calvin
Johannes Calvin feiert Geburtstag, seinen 500. Es gehört wohl zum Wesen des Genfer Reformators wie zu seiner Rezeption im Gesamtprotestantismus, dass viel geehrt, beachtet und gelehrt, aber irgendwie nicht richtig gefeiert zu werden scheint. Vielleicht aber bietet dieser Geburtstag den deutschen Protestanten Gelegenheit, ihr Verhältnis zu dem „welschen“ Reformator (neu) zu bestimmen. Hieß es beim zurückliegenden Melanchthon-Jubiläum: „Man kennt ihn viel zu wenig“, so müsste es (bislang) hinsichtlich Calvins heißen: „Man kennt ihn nicht!“ Vielleicht noch nicht.
Dr. Johannes Ehmann
28.07.1909 Carl Andresen
Seiner Generation stahl der Weltkrieg die produktivsten Jahre: Erst mit 40 startete Andresen seine wissenschaftliche Laufbahn, die ihn auf Lehrstühle in Marburg (1956) und Göttingen (1961-77) brachte. Für Antike und Christentum, für die Rezeption des Platonismus und für eine nachdenkliche Art, in der Kirchengeschichte nach Identität zu suchen, steht sein Name, natürlich auch für das „Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte“. Zu Unrecht fast vergessen sind seine „Kirchen der alten Christenheit“ (1971) – ein Glanzstück evangelischer Patristik von erheblicher, noch kaum erschlossener Bedeutung für die Konfessionskunde.
Prof. Dr. Peter Gemeinhardt
29.08.1009 Mainzer Dom
Dem heiligen Willigis gelang in seinem Leben viel, denn er war nicht nur ein großer Kirchenmann, sondern auch ein begnadeter Politiker. Ab 970 kam er auf Empfehlung des Bischofs von Meißen an den Hof Ottos des Großen. Dort begann eine steile Karriere, zunächst 971 als Kanzler; schon 975 war er Erzbischof von Mainz und Erzkanzler des Reiches. Als Otto II. starb, salbte er 983 dessen erst dreijährigen Sohn vorsorglich schon mal zum König und übte sich als Berater der zwischenzeitlichen Regentinnen.
Als der junge König Otto III. mündig war und sein Amt angetreten hatte, durfte Willigis keinen Dank erwarten; sogar von der Königskrönung in Aachen wurde er ausgeschlossen. Das Blatt wendete sich, als Otto III. 1002 früh starb. Willigis setzte sich für Heinrich II. als Nachfolger ein und krönte ihn in Mainz; wenige Wochen später krönte er dessen Frau Kunigunde in Paderborn. Jetzt lief alles wieder wie am Schnürchen, denn Willigis hatte wieder Macht und Einfluss. Eine große Kathedrale sollte sein Lebenswerk krönen. Doch wieder wurde ihm eine Prüfung auferlegt: Die neue Kathedrale brannte am Tag ihrer Weihe fast vollständig nieder. Von diesem Schlag erholte sich Willigis nicht mehr und er starb anderthalb Jahre später.
Dr. Martin Schuck
07.09.1159 Alexander III. wird Papst
Erst achtzehn Jahre nach seiner Wahl konnte er sich als Papst durchsetzen. Bis dahin verlegte er ständig seine Residenz. Seine erste offizielle Amtshandlung war die Exkommunikation des gegen ihn gewählten Papstes Viktor IV. Diese vollzog er allerdings nicht in standesgemäßer Kleidung. Der päpstliche Mantel war ihm bei der Inthronisation entrissen worden. Mehrere Gegenpäpste erlebte Alexander, sein stärkster Gegner war jedoch Friedrich Barbarossa. Erst 1177 erkannte dieser Alexander III. als Papst an. Ein Fresco in der Sala Regia im Vatikan präsentiert die Versöhnungsszene in Venedig folgendermaßen: Der Kaiser kniet auf dem Markusplatz vor Alexander, welcher voller Stolz seinen Fuß auf des Kaisers Hals setzt. Nun war der Papst jedenfalls gestärkt. Auf dem 3. Laterankonzil 1179 konnte er sich der Durchsetzung des Zölibats und der Bekämpfung der Häresie zuwenden und durch ein neues Papstwahldekret legte er die Zweidrittelmehrheit bei der Papstwahl fest. Das verhinderte für die kommenden Jahrzehnte eine Doppelwahl.
Mario Fischer
15.09.1909 100 Jahre Berliner Erklärung
Die Anfänge der Pfingstbewegung in Los Angeles 1905 führten auch bei einflussreichen Personen der deutschen Gemeinschaftsbewegung zur Erwartung eines neuen und wahren Pfingsten. Nach kontroversen Einschätzungen charismatischer Gottesdienste in Kassel (1907) entbrannte eine innerevangelikale Diskussion, die relativ unerwartet in einer summarischen Verurteilung der „sogenannten Pfingstbewegung“ durch führende Männer der Evangelischen Allianz und es Gnadauer Verbandes führte.
In der „Berliner Erklärung“ vom 15.9.1909 stand, dass die Pfingstbewegung „nicht von oben, sondern von unten“ sei und Dämonen am Werk wären, die „Lüge und Wahrheit vermengen, um die Kinder Gottes zu verführen“. Die vom „falschem Geist“ bewirkten Erscheinungen und die „Lehre vom reinen Herzen“ wurden als unbiblisch zurückgewiesen. Dieser Verurteilung aller geistlichen und charismatischen Aufbrüche hatte schwere ökumenische Folgen und kann erst allmählich durch die Revision der „Kasseler Erklärung“ von 1996 abgebaut werden.
Dr. Walter Fleischmann-Bisten
31.10.1999 Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre
Die römisch-katholische Kirche und die evangelischen Kirchen haben erstmals seit der Reformation offiziell und feierlich erklärt, dass sie bei der entscheidenden Frage, wie der Mensch vor Gott gerecht wird, denselben Glauben bekennen: Gott nimmt uns aus Gnade durch den Glauben an Jesus Christus an. Das ist ein Grundkonsens, der alle konfessionellen Streitfragen überragt. Denn mehr als in den Himmel kommen, gibt es nicht.
Zum ökumenischen Frieden steht freilich noch eine Einigung darüber aus, was wir von der Kirche und ihrer Autorität, von den Amtsträgern und von den Sakramenten glauben. Ohne gegenseitige Anerkennung als „Kirche im eigentlichen Sinn“ und ohne Abendmahlsgemeinschaft ist die Ökumene noch nicht am Ziel.
Prof. Dr. Reinhard Frieling
09.11.1989 Fall der Berliner Mauer
Die Mauer kennzeichnete die DDR als weltanschauliche Diktatur. In ihren Grenzen drehte sich die Staatsideologie nur um die eigenen Versprechen und schottete sich von fremden Einflüssen ab. Die evangelischen Kirchen waren der Freiraum. Ihre Sozialisationsformen, religiösen Hoffnungsbilder, sozialethischen Impulse und kritischen Gruppen bildeten das Ferment der Veränderung. Es entfaltete seine gewaltfreie Sprengkraft, als 1989 Flüchtlingsströme das Weite suchten und eine unaufhaltsame Destabilisierung erzeugten. Die einen wollten resigniert gehen, die anderen engagiert bleiben – das brachte quasi im Nebeneffekt die Mauer zum Fallen. Am 9.11.1989 erklärte der SED-Funktionär Günter Schabowski versehentlich: „Ständige Ausreisen können über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD erfolgen … sofort, unverzüglich.“ Tausende Berliner erzwangen moralisch den freien Durchgang. Das Land zog nach.
Dr. Aribert Rothe
10.11.1759 Friedrich (von) Schiller
Nein, man kann ich nicht trinken. Entgegen anders lautender Vorurteile geht der württembergische (auch sächsische und schweizerische) Rotling nicht auf den großen deutschen Dichter zurück, obwohl sein Geburtsort in Marbach am Neckar das nahe legen würde. Schillernd wie der Wein ist das Werk des mit Goethe, Herder und Wieland als Inbegriff der Weimarer Klassik geltenden, 1802 geadelten Dramatikers. 1782 floh der mit Hölderlin, Schelling, Uhland und Mörike verwandte Württemberger vor der staatlichen Verfolgung seines vom Publikum umjubelten Dramas „Die Räuber“ ins Badische. 1787 kam er nach Weimar, akademisch arbeitete er allerdings – in guter Gesellschaft – als Professor für Geschichte in Jena. 1805 starb der Mann, dessen Ruf als Rebell ihm die Ehrenbürgerschaft der Französischen Republik eintrug. Der Kopf dieses großen deutschen Kopfes ist nach wie vor verschollen – der Entleiher desselbigen ruht indes an der Seite des leeren Schiller’schen Sarges in der Weimarer Fürstengruft.
Alexander F. Gemeinhardt
29.11.1959 Brot für die Welt
Von wegen „Advent ist im Dezember“ – bereits im November, nämlich am ersten Advent 1959,
begann mit „Brot für die Welt“ eine Erfolgsgeschichte entwicklungspolitischer Arbeit der evangelischen Landes- und Freikirchen. In die „Hungerhand“ des Berliner Künstlers Rudi Wagner wanderten mit dem Aufruf „Wenn Du wieder satt geworden bist, gib 5 Pfennig für die Hungernden“ unfassbare 19 Millionen Mark, davon 4,8 Millionen aus der DDR, für die Bekämpfung der akuten Hungersnot in Indien. „Wir haben einen guten Anfang gemacht“, kommentierte der EKD-Ratsvorsitzende Bischof D. Dr. Otto Dibelius trocken. Fast 53 Millionen Euro erwirtschafteten die über 100 dem Diakonischen Werk der EKD angeschlossenen „Brot“-Mitarbeitenden 2007. Bis 2013 wird „Brot“ mit dem Evangelischen Entwicklungsdienst zusammengelegt werden und von Stuttgart nach Berlin umziehen. Da ist dann Advent auch wieder im Dezember. Gerade so…
Alexander F. Gemeinhardt
02.12.1409 Alma mater lipsiensis
Fast 27.000 Studierende sind in Leipzit und damit an der zweitältesten deutschen Universität (mit ununterbrochenem Lehrbetrieb) im aktuellen Semester eingeschrieben. Nobelpreisträger wie Peter Debye, Werner Heisenberg, Gustav Hertz, Theodor Mommsen, Nathan Söderblom und Wilhelm Ostwald lehrten hier ebenso wie Gotthold Ephraim Lessing oder Wilhelm Wundt. Von Johann Wolfgang von Goethe bis Erich Kästner, von Thomas Müntzer bis Angela Merkel und von Richard Wagner bis Friedrich Nietzsche reicht die Liste der Studierenden. Die Theologische Fakultät ist ebenso wie das Religionswissenschaftliche Institut (seit 1912) nicht aus dem theologischen akademischen Betrieb wegzudenken. Am 9. Mai beginnen die Feierlichkeiten, am 7. Juni werden Vertreter der Universität Prag in Leipzig erwartet. Im Gegensatz zu ihren Vorbildern vor sechs Jahrhunderten, die mit dem Auszug aus der Karlsuniversität den Grundstein der Alma mater lipsiensis legten, ziehen sie ohne Zwist ihres Weges. Aktuell ist die Leipziger Uni wie eh und je – im Februar wird ein „Institut für Unternehmenssanierung und Insolvenzrecht“ eingeweiht. Ad multos annos.
Alexander F. Gemeinhardt
14.12.1959 Kardinalskreierung Augustin Bea S.J.
Augustin Bea wurde am 28.05.1881 bei Donaueschingen geboren. Nach dem Abitur trat er in den Jesuitenorden und wurde1921 erster Provinzial der oberdeutschen Provinz. Seit 1924 wirkte der anerkannte Exeget in Rom als Professor am Biblicum, als Berater kurialer Institutionen sowie seit 1945 als Beichtvater Pius XII.. Johannes XXIII. kreierte ihn zum Kardinal und ernannte ihn 1960 zum Präsidenten des Sekretariates „ für die Förderung der Einheit der Christen“. Als solcher entfaltete er eine rege Reisetätigkeit. Als Konzilsteilnehmer war Bea an der Entstehung der Konzilsdokumente „Nostra Aetate“, „Unitatis redintegratio“ sowie der Erklärung über die Religionsfreiheit maßgeblich beteiligt. Bea starb am 16.11.1968.
Martin Bräuer D.D.