Bruno Gröning - Der Wunderheiler

Kino als Gottesdienst

„Das Phänomen Bruno Gröning“ gehört sicherlich mit zu den außergewöhnlichen Filmvorführungen, die das CinemaxX in Dresden in diesem Jahr erlebte. An drei aufeinanderfolgenden Sonntagen im November hatte der Bruno-Gröning-Freundeskreis zur Vorstellung der filmischen Dokumentationen über das Leben Grönings eingeladen. Das Programm stellte schon eine gewisse Herausforderung dar: Der Film besteht aus drei Teilen mit je ca. 100min Dauer, dazwischen werden zwei Pausen gelassen, so dass man fast den ganzen Sonntag im Kino verbringt. Dennoch war der Saal bei der ersten Veranstaltung bis auf den letzten Platz gefüllt. Die überwiegende Mehrzahl des Publikums gehörte offenbar zum Bruno-Gröning-Freundeskreis, manche von ihnen hatten den Film schon dreimal und öfter gesehen und meinten, manche Teile schon auswendig zu kennen.

 

Inhaltlich trägt der Film eine sehr detaillierte Darstellung des Lebens von Bruno Gröning vor, der in den 50er Jahren in Deutschland als Wunderheiler Aufsehen erregt hatte. Eingeflochten in die mit Zeitdokumenten unterlegten und teilweise szenisch nachgestellten Schilderungen der Stationen seines Lebens sind immer wieder ausführliche Interviews mit Personen, die Gröning persönlich begegnet waren bzw. meinen, durch ihn geheilt worden zu sein. Diese Heilungsberichte nehmen einen großen Teil des Films ein.

Die Veranstalter erwarten recht viel von diesem Film. Die Information über das Leben und Wirken Bruno Grönings scheint dabei lediglich ein Teilaspekt zu sein. In einem Sonderdruck zu diesem Film wird behauptet, es seien allein durch das Anschauen des Filmes schon weitere Heilungen geschehen und die Ärzte der „Medizinisch-Wissenschaftlichen Fachgruppe“ seien derzeit dabei, diese Heilungsberichte zu prüfen und zu dokumentieren. Auch wenn die Öffentlichkeitswirksamkeit des Filmes aufgrund seiner ungewöhnlichen Zeitdimensionen begrenzt bleiben dürfte - für die Mitglieder scheint er fast gottesdienstartige Funktionen zu gewinnen, sind sie dort doch ihrem Meister in Wort und Bild sehr nahe.

Für die christliche Beurteilung ist nicht so sehr entscheidend, ob Bruno Gröning nun eine besondere Heilungsgabe besessen hatte oder nicht. Wichtig ist, welche Rolle er gegenwärtig im Bruno-Gröning-Freundeskreis einnimmt. Dort hat Gröning selbst inzwischen Jesus als Messias ersetzt. Die Anhänger erwarten ihr Heil von Gröning und darum weder von Christus, noch von den Ärzten. Darin liegt das eigentliche Problem.

Dr. Harald Lamprecht

ist Beauftragter für Weltanschauungs- und Sektenfragen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und Geschäftsführer des Evangelischen Bundes Sachsen.

Artikel-URL: https://www.confessio.de/artikel/186

Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 6/2004 ab Seite 06