Chi, Qi und Heiliger Geist

Warum dies nicht dasselbe ist

Anhänger asiatischer Philosophie in Europa sind mitunter bemüht, die dort prägenden Vorstellungen von der Universellen Lebensenergie Chi bzw. Qi in einen christlichen Bezugsrahmen zu bringen. Gelegentlich kann man dann Gleichsetzungen finden: Das Qi bzw. Chi, welches den Kosmos durchzieht und allem Lebendigen das Leben gibt, diese universelle kosmische Energie sei dasselbe, was die christliche Tradition mit dem Begriff des Heiligen Geistes bezeichnet. In der Tat sprechen für eine solche Sicht gewisse Überschneidungen: Nach dem biblischen Bericht ist es Gott, der Adam das Leben einhaucht, mit dem Heiligen Geist ist Gott unmittelbar bei den Menschen und „erfüllt“ sie mit diesem Geist. Allerdings gibt es auch gewichtige Unterschiede zwischen beiden Vorstellungen, die nicht übersehen werden sollten. 

Der Erste ist grundsätzlich theologischer Art: Nach christlicher Überzeugung besteht ein kategorialer Unterschied zwischen Gott als dem Schöpfer und der Natur als seiner Schöpfung. Gott hat die Welt geschaffen und die Natur weist in ihrer Schönheit auf den Schöpfer hin, aber sie ist nicht mit ihm identisch. Daoistischer Philosophie fehlt diese Unterscheidung. Weil Gott nicht direkt vorkommt, bekommen Teile der Natur - in diesem Fall das Chi/Qi - auch religiöse Funktion. Seiner Pflege kann dann erlösende Wirkung zugeschrieben werden.

Zweiter Unterschied ist die praktische Konsequenz: nach christlicher Überzeugung gehört der Heilige Geist zu Gott und ist darum den Menschen unverfügbar. Er lässt sich nicht durch bestimmte Übungen „kanalisieren“ oder „kultivieren“. Für christliches Verständnis ist darum die mit den Begriffen Chi bzw. Qi bezeichnete „Lebensenergie“ eindeutig im Bereich der Schöpfung zu verorten und nicht in dem Bereich des Göttlichen, auch wenn der Begriff in Asien solche Anteile enthält. Darum spricht nichts gegen gymnastische Übungen für die Gesundheit. Diese führen aber nicht näher zu Gott oder zur Erlösung. Glück, Zufriedenheit und ein erfülltes Leben kommen aus christlicher Sicht aus einer lebendigen Beziehung zu Gott.

Harald Lamprecht

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Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 5/2007 ab Seite 07