Konfessionskundliche Jubiläen 2008

Eine Auswahl aus dem Newsletter des Konfessionskundlichen Instituts

1968 Die ‚68er

Kinder, die 1968 geboren wurden, werden in diesem Jahr 40. Die wirklichen Achtundsechziger sind allerdings älter, meistens so zwischen 60 und 70. Manche sind auch schon tot, obwohl sie noch leben könnten. Das zeigt, dass Achtundsechzig nicht nur eine geistig, sondern auch körperlich anstrengende und manchmal gefährliche Zeit war. Wer Achtundsechzig erlebt und überlebt hat, kann allerdings große Dinge erzählten, bei denen er in der ersten Reihe saß, stand oder kämpfte, oder doch zumindest alles aus der Nähe gesehen hat: Schah-Demos, Sit-Ins an der Uni, SDS, Kommune 1. Die etwas Jüngeren mussten sich mit Anti-Vietnam-Demos, Chile-Komitees, MSB und revolutionären Studenten-WGs begnügen. Aber auch das erlebt zu haben gab noch ein Gefühl unendlicher Überlegenheit über die späteren Friedensdemos im Bonner Hofgarten, über „Unabhängige Linke“ im ASTA, über Nicaragua-Kaffee und über „Atomkraft? Nein danke!“.

Man sieht also: Was Achtundsechzig folgte, war eine Verfallsgeschichte. Wir, die ein wenig zu spät Geborenen, merkten das an den Sponti-Sprüchen, die zu den Achtundsechzigern gehören wie das Amen zum Vaterunser: Wurde 1968 mit dem Spruch „Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment“ die Ausweitung des revolutionären Kampfes auf alle Lebensbereiche ausgerufen, so bedeutete zehn Jahre später die Klage „Was ist das nur für ein Land, in dem morgens um sechs schon die Sonne aufgeht?“ den Rückzug der revolutionären Strategie auf den selbstbestimmten Müßiggang und damit den Abstieg von der sozialen Revolution hin zur individuellen Emanzipation.

Schuld an dieser Entwicklung war vermutlich der lange „Marsch durch die Institutionen“, den jeder revolutionäre Achtundsechziger zu gehen hatte. Mal begann er in der revolutionären Betriebsgruppe bei Opel in Rüsselsheim und endete im Auswärtigen Amt in Berlin, mal begann er mit der Besetzung eines Hörsaals in Frankfurt und endete auf dem Lehrstuhl der Reform-Uni Bielefeld. Das Establishment ließ sich tatsächlich beeindrucken: Von einem katholischen Theologieprofessor aus Tübingen ist bekannt, dass er vor dem Aufruhr der Studenten zunächst ins beschauliche Regensburg, später nach München und dann nach Rom in den Vatikan flüchtete. Dort ist er noch immer, und sein Beispiel zeigt: Manche mussten zu ihrem Marsch durch die Institutionen förmlich getrieben werden!

Martin Schuck

02.01.1958 Punkte in Flensburg

Sind wir nicht alle arme kleine Sünder? Kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort, große werden als Punkte im Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg gespeichert. Und das seit 50 Jahren. Bereits seit 1910 gab es eine „Sammelstelle für Nachrichten über Führer von Kraftfahrzeugen“ (SNFK) im Polizeipräsidium Berlin. Seit 1974 wurden für die Erfassung von MehrfachtäterInnen auch die europäischen Grenzen geöffnet, nach der Wende eine Außenstelle in Dresden eingerichtet.

Die Schwere des Vergehens bestimmt die Folgen: Erst bei 8 Punkten gibt es eine Verwarnung, die den Erwerb eines Ablasses, vulgo die Teilnahme an einem Aufbauseminar ermöglicht, um zeitliche Strafen zu mindern. Bei 14 Punkten wird die Läuterung in einem Medizinisch-Psychologischen Fegefeuer obligatorisch, bei 18 Punkten die Erlaubnis zur Sammlung weiterer Sünden schlichtweg entzogen. Nach einer gewissen schuldlosen Zeit werden auch die Punkte wieder getilgt. Eine gute Mischung aus Ablasshandel und sola gratia? Wobei im KBA nur jene Sünden gespeichert werden, die auch empirisch erfassbar sind.

Christina Krause, Alexander Gemeinhardt

11.02.1858 Beginn der Marienerscheinungen von Lourdes

Und das päpstliche Lehramt hat doch Recht! Gerade einmal drei Jahre waren vergangen, seit Pius IX. am 8. Dezember 1854 die Lehre von der „Unbefleckten Empfängnis Marias“ zum dogmatischen Lehrbestand der Kirche erhoben hatte, als die so Geehrte sich ab dem 11. Februar 1858 zu revanchieren begann. Bei einer ihrer insgesamt 18 Erscheinungen an die 14jährige Bernadette Soubirous stellte sie sich am 25. März 1858 mit den Worten vor: „Ich bin die Unbefleckte Empfängnis“. Es folgten zunächst Wunderheilungen und „illegale“ Wallfahrten, dann eine bischöfliche Untersuchung und der Bau einer ersten Basilika. Bis heute ist Lourdes Mittelpunkt einer florierenden Wallfahrtsindustrie und ein aus dem europäischen Pilgertourismus nicht wegzudenkendes Zentrum.

Martin Schuck

 

04.04.1968 Todestag von Martin Luther King

Selten hat ein Mensch so nachhaltig öffentlich geträumt wie der am 4. April 1968 ermordete Martin Luther King. Ein Bombenattentat, Angriffe, Anfeindungen und fast drei Dutzend Inhaftierungen zwischen 1955 und 1968 provozierte der widerständige Baptistenpastor. So waren es die ihn observierenden FBI-Agenten, die Erste Hilfe leisteten, als er auf dem Balkon des Lorraine Motels in Memphis/Tennessee erschossen wurde.

Der am 15.01.1929 geborene Soziologe und Theologe erhielt 1964 den Friedensnobelpreis. Bereits mit 14 Jahren formulierte er das Credo der Bürgerrechtsbewegung, die über seinen Tod hinaus Amerika und die Welt nachhaltig prägte: „Wir können keine aufgeklärte Demokratie sein, wenn eine große Bevölkerungsgruppe ignoriert wird.“

Alexander F. Gemeinhardt

 

23.04.1858 Geburtstag von Max Planck

Er brach mit der klassischen Physik durch die Hypothese, dass Energie nicht gleichmäßig, sondern in Portionen (Quanten) emittiert und absorbiert wird. Durch Bohr und Heisenberg, denen er nicht mehr folgte, drangen Wahrscheinlichkeit, Komplementarität und „der Beobachter“ in die Quantenphysik ein. Ihren Missbrauch für einen Gottesbeweis kritisierte er ebenso wie die Absolutsetzung des religiösen Symbols. Religion gehe vom Gottesglauben aus und betreffe das Handeln, wissenschaftliches Erkennen strebe zu Gott hin, ende aber nur bei der „naturgesetzlichen Macht“. Der Nachfahre württembergischer Theologen war Gegner des Nationalsozialismus und bis zu seinem Tod Glied der evangelischen Kirche.

Walter Schöpsdau

 

24.04.858 Geburtstag von Papst Nikolaus I.

Die letzte Station im kirchenrechtlichen Instanzenweg ist Rom: Diese Forderung hat Nikolaus I. zwar noch nicht durchsetzen können; dennoch galt er seinem Zeitgenossen Regino von Prüm als „Herr der Welt“, und die Reformpäpste des 11. Jahrhunderts griffen auf seine Formulierung des päpstlichen Primats zurück. Widerstand leisteten der fränkische Episkopat (bes. Hinkmar von Reims), der auf die Souveränität der Ortskirche pochte, und der Patriarch von Konstantinopel, Photius, mit dem Nikolaus eine literarische Fehde über das Recht, die Bulgaren zu missionieren austrug (was mit der Autokephalie Bulgariens endete). Nikolaus starb am 13.11.867 als Unvollendeter, erlebte aber im Decretum Gratiani eine glanzvolle Auferstehung.

Peter Gemeinhardt

 

21.04.1808 Geburtstag von Johann Hinrich Wichern

Hamburg im Jahre 1833. Ein junger Theologe namens Wichern hält eine Rede, um für die Sonntagsschule seiner Gemeinde im Arme-Leute-Viertel St. Georg neue Lehrer zu gewinnen. Einige Tage später meldet sich eine junge Frau bei ihm: Amanda Böhme. Der Beginn einer Liebesgeschichte gleitet über in die Gründung des Rauhen Hauses, einer Einrichtung für vernachlässigte Kinder, mit der christlich gesonnene Bürger eine Antwort auf die „sociale Frage“ ihrer Zeit geben. Diese „Rettungsanstalt“ vor den Toren Hamburgs erhielt eine Prägung, die als Beispiel der Inneren Mission über die Landesgrenzen hinaus strahlt.

Steffen Storck

 

14.05.1608 Zusammenschluss der protestantischen Union

Die Verhältnisse zwischen den Konfessionen waren seit dem Augsburger Religionsfrieden frostiger geworden. So kamen im ehemaligen Kloster Auhausen Vertreter verschiedener protestantischer Reichsstände zusammen, um das erste protestantische Verteidigungsbündnis seit dem Schmalkaldischen Bund zu gründen. Als im folgenden Jahr die katholische Liga zusammentrat, war die Ausgangslage für den Dreißigjährigen Krieg gelegt. Doch kurz nach dessen Beginn löste sich die Union auf - die Interessen der protestantischen Reichsstände waren doch zu unterschiedlich.

Mario Fischer

 

30.05.1908 Soziales Bekenntnis der Bischöflichen Methodistischen Kirche

Neben dem „Seelenheil“ des Einzelnen standen vor dem Hintergrund der Industrialisierung spätestens Anfang des 20. Jahrhunderts soziale Fragen auf der Tagesordnung der Kirchen. Auf Grund einjähriger Vorarbeiten von engagierten Mitgliedern nahm die Bischöfliche Methodistische Kirche der USA auf der Generalkonferenz des Jahres 1908 eine ausdrückliche Erklärung zur sozialen Frage auf („The social creed“). Das Soziale Bekenntnis wurde als offizieller Text angenommen und gehört heute zu den Lehrgrundlagen der Evangelisch-methodistischen Kirche. Liturgische Qualität erlangte der Text aber erst 1972.

Im Jahr 1946 wurden zudem ausführliche „Soziale Grundsätze“ verabschiedet; sie ergänzen das Soziale Bekenntnis und legen es auf vielen Gebieten aus. Diese Grundsätze werden von den Generalkonferenzen alle vier Jahre aktualisiert und fortgeschrieben. Derzeit wird weltweit an einem neuen Bekenntnistext - der bislang nicht verändert wurde - gearbeitet.

Ulrich Villringer

 

30.06.1558 Reichstag von Augsburg: „Geistlicher Vorbehalt“

Der Streit über den „Geistlichen Vorbehalt“ lähmte die Reichspolitik für Jahrzehnte. Die Klausel aus dem Augsburger Religionsfrieden hatte zum Inhalt, dass ein katholischer geistlicher Territorialherr beim Konfessionswechsel auch gleichzeitig seine weltliche Herrschaft niederlegen musste. Die Protestanten fühlten sich dadurch zu Recht benachteiligt, hätte es doch eine katholische Mehrheit im Kurkollegium auf Dauer festgeschrieben: Unter den sieben Kaiserwählern befanden sich die drei Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier. Da sie nicht konvertieren konnten, ohne ihr Amt zu verlieren, war eine katholische Mehrheit praktisch gesichert. Auch auf dem Reichstag zu Augsburg 1558 versuchten die Protestanten daher, diese Klausel zu kippen; ihre Bemühungen litten aber unter dem internen Gegensatz zwischen Kursachsen und der Kurpfalz über den richtigen Weg, dieses Ziel zu erreichen.

Ulrich Villringer

 

03.07.1883 Geburtstag von Franz Kafka

„Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet“. Gericht und Verweigerung klar lesbarer Schuld bilden das Grundgefühl seiner Teufelskreisgeschichten. Auf den Landvermesser K. wirkt das Schloss wie ein unbedingtes Auge, das ihn beobachtet und dem direkt zu begegnen unmöglich ist. „Mit einer schönen Wunde kam ich auf die Welt; das war meine ganze Ausstattung“, sagt der Kranke zum Landarzt, der sich, selbst hilflos, zu ihm legt und ihm nur sein Sterbebett einengt. Die Tagebücher zeigen Kafka - für Franz Werfel ein „Bote des Königs“ - als einen, der sensibel hört, wo andere sich in Sicherheit wähnten: „Der Geist wird erst frei, wenn er aufhört, Halt zu sein.“

Walter Schöpsdau

 

14.07.1908 Geburtstag von Hermann Dietzfelbinger

Der vom bayerischen Luthertum und einer tiefen Frömmigkeit geprägte Theologe stand von 1955 bis 1975 an der Spitze seiner Landeskirche. Im Kirchenkampf bewährte er sich in München und als Dorfpfarrer im Steigerwald wie nach dem Zweiten Weltkrieg als Rektor des Nürnberger Predigerseminars und der Neuendettelsauer Diakonie. Kritisch stand er der Frauenordination gegenüber und verhinderte sie bis zu seinem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Bischofsamt. Die Ökumene innerhalb des Lutherischen Weltbundes lag ihm am Herzen und deshalb förderte er die Gründung des Straßburger Ökumene-Instituts. Abgelehnt hat er die Leuenberger Konkordie als evangelisches Ökumenemodell. Als EKD-Ratsvorsitzender (1967-1973) stand er der geplanten neuen Grundordnung skeptisch gegenüber.

Walter Fleischmann-Bisten

06.08.1978 Todestag von Paul VI.

Giovanni Battista Montini wurde am 26. September 1897 in Concesio bei Brescia geboren. Er studierte in Brescia und wurde 1920 zum Priester geweiht, 1924 in das päpstliche Staatssekretariat geholt. Pius XI. ernannte ihn 1937 zum Substituten und damit zum Stellvertreter von Kardinalstaatsekretär Eugenio Pacelli, dem späteren Pius XII. 1954 wurde Montini Erzbischof von Mailand. Er hatte sich dort mit neuen pastoralen Methoden als aufgeschlossener „Erzbischof der Arbeiter“ und Befürworter der Demokratie profiliert. Johannes XXIII. kreierte ihn 1958 zum Kardinal und nach dessen Tod wurde er am 21. Juni 1963 zum Papst gewählt. Das Konzil setzte er als Paul VI. ohne Zögern fort und beendete es am 8. Dezember 1965.

Paul VI. begann zu reisen, veröffentlichte sieben Enzykliken: von denen „Populorum progressiv“ über den Fortschritt der Völker (1967) stark beachtet wurde. Großes Aufsehen erregte die letzte Enzyklika „Humanae vitae“ mit dem Verbot künstlicher Empfängnisverhütung. Seine Amtszeit war von der Umbruchsphase nach dem Konzil geprägt. Paul VI. strukturierte die römische Kurie neu, gab ein neues Messbuch heraus, führte die regelmäßigen Bischofssynoden ein und feierte 1975 ein Heiliges Jahr. Am 6. August 1978 starb Paul VI. in Castel Gandolfo. Er markiert den Übergang von den Pius-Päpsten zur nachkonziliaren Zeit.

Martin Bräuer


16.08.1958 Geburtstag Madonna Louise Veronica Ciccone

Von ihrem Mega-Hit „Like a Virgin“ (1984), dem exaltierten Spiel mit Kruzifixen und anderen religiösen Gegenständen auf der Bühne bis zum Album „Confessions on a Dancefloor“ von 2006 spielt die Sängerin Madonna Louise Veronica Ciccone über ihren Bühnennamen hinaus mit religiösen Motiven. Der Titelsong ihres Albums „Like a Prayer“, in dem sie u.a. ihr gebrochenes Verhältnis zur römisch-katholischen Kirche thematisiert, wird von der amerikanischen und deutschen Redaktion des „Rolling Stone“ zu einem der besten 100 Songs aller Zeiten gewählt.

Mittlerweile steht sie nicht mehr allein im Rampenlicht. Nicht die so überaus wandlungsfähige Diva selbst, sondern Lourdes, ihre elfjährige Tochter, macht neuerdings Schlagzeilen. Die Schüler der fiktiven Zauberschule Hogwarts erhalten im neuen Film Zuwachs durch Lourdes´ Rolle als Gefährtin in der Verfilmung des sechsten Bandes „Harry Potter und der Halbblutprinz.“ Mutter Madonna denkt zwar auch mit 50 sicher noch nicht an einen Bühnenabschied, aber man kann den Nachwuchs doch so langsam mal an das Showbusiness heranführen.

Steffen Storck

 

26.08.1978 Wahl von Papst Johannes Paul I. – 28.09.1978 Todestag von Papst Johannes Paul I.

Albino Luciani wurde 1912 in ärmlichen Verhältnissen geboren. Er studierte am Priesterseminar von Belluno, wo er 1935 die Priesterweihe empfing. Nach mehreren Stationen wurde er 1954 Generalvikar in Belluno und 1958 Bischof von Vittorio Veneto. 1969 durch Paul VI. zum Patriarchen von Venedig ernannt, wurde er 1973 zum Kardinal kreiert. In dieser Zeit war er Gastgeber von fünf ökumenischen Konferenzen. Er schrieb für die Monatsschrift „Messaggero di S. Antonio“ eine Reihe Briefe an historische und fiktive Gestalten, die 1976 in Buchform unter dem Titel „Illustrissimi“ (dt.: „Ihr ergebener ... Albino Luciani“, 1978) erschienen.

Albino Luciani wurde am 26. August 1978 am ersten Tag des Konklaves zum Papst gewählt und nannte sich Johannes Paul I. Am 3. September folgte die Amtseinführung, wobei Johannes Paul I. auf Krönung und Inthronisation verzichtete und sich mit dem Pallium als Zeichen seines Hirtenamtes bekleiden ließ. Bereits am 28. September 1978 starb der Papst im Alter von nur 65 Jahren. Die rasch aufkeimenden Gerüchte bezüglich eines gewaltsamen Todes waren vor allem auf die ungeschickte Nachrichtenpolitik des Vatikans zurückzuführen.

Martin Bräuer

 

30.08.1958 Todestag von Karl Heim

50 Jahre nach seinem Tode ist der Name Karl Heims (geb. 20.1 1874) wohl nur noch der älteren Generation geläufig - es sei denn, die „mittlere“ theologische Generation Tübingens verbände mit Heim noch die Assoziation gut bürgerlicher Verpflegung im Karl-Heim-Haus. Heim war und blieb - trotz seiner tiefen Verwurzelung in württembergisch-(neo)pietistischer Landestheologie - ein akademischer Außenseiter, dessen theologisch-theosophisches Denken auch manchen Erweckten des Landes einfach „zu hoch“ gewesen sein mag. Freilich zeigt der Abstand eines halben Jahrhunderts durchaus auch die bleibende Bedeutung Heims, die auch in größeren Studien der 90er Jahre deutlich wird: Wie wenig andere hat er (früh) versucht, das Problem der Säkularisierung bzw. des säkularen Mensche zu bedenken und in seiner (zeitgenössisch-naturwissenschaftlich-philosophischen Fragen verpflichteten) Theologie konstruktiv zu verarbeiten. Dazu gehört die in immer neuen Anläufen gewonnene Beschreibung christlicher

Glaubensgewissheit (mehrere umgearbeitete Auflagen) sowie sein systematisches Hauptwerk: Der evangelische Glaube und das Denken der Gegenwart (6 Bände).

Johannes Ehmann

 

01.09.1908 Todestag von Wilhelm Busch

„Also geht alles zuende allhier/ Feder, Tinte, Tobak und auch wir“ - so lapidar wollte er den Tod sehen, und so traf er ihn tatsächlich: 75jährig stirbt der Zeichner und Dichter, der den Humor der Deutschen prägte wie kein anderer, ganz friedlich an einer Herzschwäche. Als Kind der 1848er Revolution ist bei ihm von einer bewussten politischen Auseinandersetzung mit dem Kampf der Bürger für mehr Freiheiten nichts zu merken. Stattdessen lernt er die bislang noch nicht geschätzten Rechte des Rauchens und des Biertrinkens kennen und pflegen. Noch in seinen letzten Jahren qualmt Busch ca.50 selbst gedrehte Zigaretten täglich und geht dabei fast an einer Nikotinvergiftung zugrunde. Onkel Nolte aus der frommen Helene, der ungeschickte Tobias Knopp, der heilige Antonius sind also buchstäblich aus den Nebeln seiner Pfeifen und Zigaretten herausgetreten.

Steffen Storck

 

01.09.1958 Frauenordination innerhalb der EKD

Gibt es Talare eigentlich schon in Frauengrößen? Nein. Der männliche Schnitt eines Talars muss auch für Frauen passen - obwohl es bereits seit 50 Jahren die Ordination von Frauen innerhalb der Gliedkirchen der EKD gibt. Nachdem 1958 der Staat die gesetzliche Gleichstellung von Mann und Frau vorgelegt hatte, war diese kirchenrechtlich auch innerhalb der EKD nicht mehr zu stoppen. Gleichberechtigt waren die Frauen durch die Ordination noch lange nicht: nur ledige Frauen waren gelitten, ihr Gehalt war geringer als das der männlichen Kollegen. Bereits in der Bekennenden Kirche waren zumindest eingeschränkt Frauen ordiniert worden. Die Tatsache, dass hier der akute kriegsbedingte Männermangel zumindest ein wesentlicher Grund war, mindert nicht den Respekt vor ihnen. Nach dem Krieg endeten die so begonnen kirchlichen Karrieren meist abrupt. Auch wenn seit 1991 in allen Gliedkirchen der EKD die Frauenordination eingeführt ist, wir Frauen warten noch immer: auf die Frauenordination unserer Kolleginnen auch in anderen Kirchen - und auf taillierte Talare.

Christina Krause

 

03.09.1658 Todestag von Oliver Cromwell

Wenn die Kirche jemandem eine Pfarrstelle verweigert, der sich seiner Berufung und Sendung bewusst ist, so weiß man nie, wohin dies führt. Als Offizier des Parlamentsheeres predigte Cromwell seinen Soldaten und schloss sie in einer „New Modell Army“ zusammen. Mit Gebet und Psalmengesang zogen sie in ihre siegreichen Schlachten, ließen 1649 König Charles I. hinrichten und wollten England in einen endzeitlichen Gottesstaat verwandeln. Der Lord Protector verstand sich als Werkzeug Gottes. Den Juden gegenüber war er tolerant, Katholiken und Anglikanern gestattet er allerdings keine öffentlichen Gottesdienste. Tanz, Feste und Spiele verbot der Puritaner und erklärte Ehebruch zum Kapitalverbrechen.

Mario Fischer

 

14.09.258 Todestag von Cyprian von Karthago

Vom Flüchtling zum Märtyrer: Cyprian (geb. um 200) musste erst lernen, was man von einem Bischof erwartete. Erst im zweiten Anlauf erlitt er unter Kaiser Valerian den Märtyrertod, während er wenige Jahre zuvor noch meinte, seiner Gemeinde als Lebender besser dienen zu können. Cyprian stand im Brennpunkt zahlreicher Debatten: über amtsgebundene oder charismatische Autorität in der Kirche, über die Buße und über die Einheit der Kirche. „Extra ecclesiam nulla salus“ ist der Tenor seiner Ekklesiologie; man könnte präzisieren: „praeter episcopum“ - Kirche ist da, wo der (legitime) Bischof ist. Mit solchen Positionen macht man sich nicht nur Freunde, auch nicht in Rom, mit dessen Bischöfen Cyprian mehrfach aneinander geriet. Doch als Theologe und Märtyrer wurde Cyprian zum Leitbild der Kirche Nordafrikas.

Peter Gemeinhardt

 

09.10.1958 Todestag Pius XII.

Eugenio Pacelli wurde am 02.03. 1876 in Rom in einer adeligen Familie geboren. Nach der Priesterweihe trat er 1901 in den Dienst der römischen Kurie ein. 1916 versuchte Pacelli als Sondergesandter von Papst Benedikt XV. erfolglos zwischen den Parteien des 1. Weltkrieges zu vermitteln.1917 wurde er Nuntius in Bayern und war seit 1920 zugleich erster päpstlicher Nuntius für Deutschland. In dieser Funktion handelte er die Konkordate zwischen dem Vatikan und Bayern, später Baden und Preußen aus. 1929 wurde er zum Kardinal kreiert und wirkte als Kardinalstaatssekretär am Reichskonkordat von 1933 wie auch an der Enzyklika „Mit brennender Sorge“ maßgeblich mit. Am 2. März 1939 wurde er als Pius XII. zum Papst gewählt. Der Beginn seines Pontifikats stand im Zeichen der Vermeidung des drohenden Krieges, in dem er eine neutrale Stellung bewahrte und sich in erster Linie Friedensappellen und der Unterstützung humanitärer Hilfe widmete.

Am 1. November 1950 verkündete er die Definition des Dogmas von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel und war der erste Papst, der von seiner Unfehlbarkeit in der Verkündigung der Lehre überhaupt Gebrauch machte. Er führte den Vatikan streng zentralistisch. Pius XII. starb am 09. Oktober 1958 in Castel Gandolfo.

Das Drama „Der Stellvertreter“ von Rolf Hochhuth stieß 1963 eine kontroverse, bis heute andauernde Debatte über die Haltung des Papstes während des Nationalsozialismus an. Eine endgültige Bewertung seiner Haltung im historischen Kontext wird wohl erst möglich sein, wenn die noch nicht zugänglichen Akten aus der Regierungszeit Pius XII. der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich sind.

Martin Bräuer

 

16.10.1978 Wahl Johannes Paul II.

Karol Wojtyla wurde am 18. Mai 1920 in Wadowice, Polen, geboren. 1938 siedelte er mit dem Vater nach Krakau über und studierte Philosophie und Literatur. 1942 trat er ins geheime Priesterseminar von Krakau ein und wurde am 1. November 1946 zum Priester geweiht, 1958 zum Weihbischof und 1964 zum Erzbischof von Krakau berufen, 1967 zum Kardinal. Am 16. Oktober 1978 wurde Karol Wojtyla nach dem plötzlichen Tod von Papst Johannes Paul I. zum Papst gewählt. Er entfaltete eine immense Reisetätigkeit in alle Kontinente, wo er durch seine Einmischung in die politischen Verhältnisse, durch seine Mahnungen zur sozialen Verantwortung, durch sein Eintreten für die Grund- und Menschenrechte sowie seine Verurteilung von Neoliberalismus, Rüstungswettlauf und Krieg die Massen mobilisierte. Ausdruck dieser politischen Berufung des Papstes waren vor allem die Polenreisen von 1979, 1983 und 1987, die den politischen Reformprozess in seiner Heimat nachhaltig bestärkten. Am 13. Mai 1981 verübte der türkische Rechtsextremist Mehmet Ali Agca einen Mordanschlag, dessen Hintergründe nie aufgeklärt wurden.

Innerkirchlich und besonders in Fragen der Sexualmoral wirkte der Papst unnachgiebig, viele Bischofsernennungen waren umstritten. Von den deutschen Bischöfen fordere er den Ausstieg aus dem System staatlicher Beratungsstellen für Schwangerschaftskonfliktberatung.

Dennoch fanden unter ihm die Ökumene und der interreligiöse Dialog (durch Gebetstreffen in Assisi) neue Aufmerksamkeit; Hinzu kamen überraschende Zugeständnisse des Papstes gegenüber den Wissenschaften und den historischen Verfehlungen der Kirche. Gegenüber den neueren Weltkonflikten nach 1989 wandelte Johannes Paul II. seine Position von einer anfänglich betont pazifistisch-neutralen Stellungnahme zu engagierter Einmischung. Nach den terroristischen Anschlägen gegen die USA vom 11. September 2001 verurteilte er sowohl religiös motivierten Terrorismus als auch dessen leichtfertige Gleichsetzung mit dem Islam und sprach sich vehement gegen den Irakkrieg aus.

Papst Johannes Paul II. starb am 2. April 2005 nach über 26 jährigem Pontifikat.

Martin Bräuer

 

26.10.1608 Todestag von Philipp Nicolai

Geboren wird Philipp Nicolai am 10. August 1556 als Pfarrerssohn in Mengeringhausen/Waldeck. Als lutherischer Prediger war er Streiter gegen Calvinismus sowie Katholizismus gleichermaßen und guter Seelsorger in Pestzeiten. Er starb in Hamburg am 26. Oktober 1608. Bekannt ist er als Liederdichter, z.B. „Wie schön leuchtet der Morgenstern“. Dieses Lied ist zugleich ein Denkmal für seinen Schüler und Freund Wilhelm Ernst Graf zu Waldeck, dessen Initialen sich in den Strophenanfängen finden.

Volkmar Ortmann

 

28.10.1958 Wahl Johannes XXIII.

Am 28. Oktober 1958 wurde der Patriarch von Venedig, Angelo Guiseppe Roncalli, zum Nachfolger Pius XII. gewählt und nahm den Namen Johannes XXIII. an.

Geboren am 25. November 1881 in Sotto il Monte in der Region Bergamo, wuchs er in ärmlichen Verhältnissen auf. Nach dem Studium in Rom wurde er 1904 Priester und anschließend Sekretär des Bischofs von Bergamo. 1925 zum Bischof geweiht, wirkte als Vertreter des Vatikans in Bulgarien sowie in der Türkei und in Griechenland. 1944 wurde er überraschend Nuntius in Paris. Dies war eine äußerst schwierige Aufgabe, da sein Vorgänger im Amt mit dem Regime unter Petain zusammengearbeitet hatte. 1953 erfolgte die Kreierung zum Kardinal und die Ernennung zum Patriarchen von Venedig.

Roncalli wurde aufgrund seines hohen Alters und seiner konservativen Frömmigkeit in der Presse als Übergangspapst bezeichnet, bewies jedoch Mut zu historischen Veränderungen. Er entwickelte ein Bewusstsein für Fragen der Ökumene und berief unerwartet das Zweite Vatikanische Konzil ein, das am 11. Oktober 1962 feierlich eröffnet wurde. Gegenüber dem französischen Philosophen Jean Guitton, den der Papst als ersten Laienbeobachter zum Konzil einlud, bekannte er sich dazu, schon sehr lange über die Ökumene nachgedacht zu haben. Das Konzil sollte das „Aggiornamento“ der katholischen Kirche im 20. Jahrhundert einleiten und versinnbildlichen. Historische Verdienste erwarb er sich um die Überwindung der Kubakrise und durch zahlreiche Friedensinitiativen, so durch seine Enzyklika Pacem in Terris. Johannes XXIII. starb nach schwerer Krankheit am 3. Juni 1963. Er wurde am 3. September 2000 von Johannes Paul II. gemeinsam mit Pius IX. seliggesprochen.

Martin Bräuer

 

08.11.1308 Todestag von Johannes Duns Scotus

Man nennt ihn den „Doctor subtilis“, vermutlich wegen Definitionen wie dieser: „Das Seiende ist das, dem es nicht widerspricht zu sein.“ Was ein wenig verschroben wie der frühe Heidegger klingt (der zu den späten Erben des Duns Scotus zählt), ist tatsächlich der Beginn einer neuen Art Philosophie zu treiben. Der Gegenstand der Metaphysik ist nicht mehr - wie bei Thomas von Aquin - Gott, sondern das Sein. Damit setzt der aus Schottland stammende Franziskaner die Philosophie auf einen Weg, der sie in den folgenden beiden Jahrhunderten immer weiter von der Theologie entfernt. Diese „via moderna“ liefert eine Generation später seinem Ordenskollegen Wilhelm von Ockham die Begründung, warum das Konzil über dem Papst steht.

Duns Scotus (geb. ca. 1266) gilt als Exponent eines alternativen Weges der Scholastik, dem das katholische Lehramt nie gefolgt ist. Benedikt XVI. sah in seiner Regensburger Vorlesung mit Duns Scotus eine Position des Voluntarismus im Gottesbild beginnen. Kein Zufall, dass er der erste Theologe war, der Überlegungen anstellte über die Rechtfertigung des Sünders.

Martin Schuck

 

04.12.1908 Geburtstag von Helmut Thielicke

Man muss nicht erst durch das „Thielicke-Wäldchen“ in Wellingsbüttel oder durch den „Thielicke-Stieg“ beim Hamburger Michel gehen, um mit dem Namen Helmut Thielicke etwas zu verbinden. Vielen ist der 1986 gestorbene Theologieprofessor auch als Gründer der theologischen Fakultät, als Prediger am Michel und Autor vieler Bücher bekannt. Für einen Theologiestudenten gehörte es dazu, einmal die Vorlesung oder Predigt des berühmten Thielicke gehört zu haben. Und tatsächlich war es ebenso anspruchsvoll wie spannend, wenn der hochgewachsene Professor mit der sonoren Stimme über Glauben und Denken oder über Ethik dozierte und predigte. Nie zuvor hatte ich einen so rundum gebildeten Mann erlebt, der sein Wissen mit faszinierender Rhetorik und wachem Witz erklärte. Da sprach kein Fachidiot, sondern einer, der sich in den anderen Wissenschaften und in der Welt auskannte.

Steffen Storck

 

08.12.1558 Tod von Johann Forster

Johann Forster war einer der unruhigen Geister der Reformation. Am 10.07.1496 in Augsburg geboren, ging er 1517 an die Universität in Ingolstadt, an der er umfangreiche Kenntnisse der hebräischen Sprache und 1520 den Magistergrad erwarb. Nicht einmal zwei Semester blieb er anschließend an der Universität Leipzig, bevor er als Lehrer der hebräischen Sprache nach Zwickau wechselte. 1530 führte ihn sein Weg als Prediger an der Schlosskirche nach Wittenberg. In diesem Amt muss er sich so bewährt haben, dass er auf Wunsch Martin Luthers als Diakon an der Stadtkirche eingesetzt wurde. Gleichzeitig assistierte er diesem bei der Bibelübersetzung. Nach Stationen in seiner Heimatstadt Augsburg und am Lehrstuhl für Hebräisch an der Universität Tübingen, an St. Lorenz in Nürnberg und in Regensburg wurde er schließlich Superintendent in Merseburg. Seine Wanderjahre endeten 1549 mit der Rückkehr nach Wittenberg auf den Lehrstuhl für Theologie und Hebräische Sprache.

Ulrich Villringer

 

20.12.1908 Todestag von Johann von Kronstadt

„Ein Christ sollte eine besondere Person sein, geprägt vom himmlischen, neuen, heiligen Leben mit Gott“. Der wundertätige Heilige Ivan Sergiev, geboren 1829 als Sohn eines Kirchensängers, ist der Beleg dafür, dass die orthodoxe Kirche Gottesdienst und diakonisches Handeln bis hin zur Anstaltsdiakonie vorbildlich verwirklichen kann. Als Pfarrer an der Andreaskathedrale in Kronstadt, besuchte er die Armenviertel der Stadt, errichtete ein Haus zur Berufsausbildung, ein Nachtasyl, ein Waisenhaus, eine Kindertagesstätte, ein Armenhaus für Frauen, einen Volksspeiseraum und eine Bekleidungsstelle und initiiere eine diakonische Bewegung in ganz Russland. Der begnadete Liturg, Prediger und Seelsorger wurde 1964 von der russischen Auslandskirche und 1990 von der Patriarchatskirche kanonisiert

Reinhard Thöle

 

29.12.1908 Geburtstag von Helmut Gollwitzer

Der Sohn eines lutherischen Pfarrers in Bayern wird er zu einem der einflussreichsten Schüler des reformierten Theologieprofessors Karl Barth. Im Kirchenkampf engagiert er sich als entschiedener Gegner des NS-Staates für verfolgte Juden. Sein Bericht aus der langen russischen Kriegsgefangenschaft wird zu einem Bestseller: „ …und führen, wohin du nicht willst“. Als Professor an der FU in Berlin verbündet er sich mit der Friedensbewegung und mit dem Protest der Studierenden, wird zu einem der Väter des christlich-jüdischen Dialogs, setzt sich mit dem philosophischen Atheismus auseinander und wird zum Wegbereiter der sozialgeschichtlichen Bibelauslegung. Als „Lehrling Luthers“ erkannte er: Der Sinn des Lebens wird nicht durch die Arbeit für eine bessere Welt erreicht. Ein Christ engagiert sich aber für die „Veränderungen im Diesseits“.

Walter Fleischmann-Bisten

 
Der vollständige Text der Jubiläen ist dem Newsletter des Konfessionskundlichen Instituts zu entnehmen: http://www.ki-bensheim.de/service/
newsletter.html

Artikel-URL: https://www.confessio.de/artikel/176