Meditation im Schatzkästlein

Besuch im Osho-Manjusha-Meditationszentrum

Zu Besuch im Osho Manjusha Meditationszentrum in Schmiedeberg

Fährt man von Dresden über Dippoldiswalde in Richtung Erzgebirge und biegt in Schmiedeberg rechts in das Seitental ein, dann kommt man zu dem Gelände eines ehemaligen Ferienlagers, in dem nun eine Religionsgemeinschaft ihren Sitz hat: das Osho Manjusha Meditationszentrum. Die Arbeitsgemeinschaft Religiöse Sondergemeinschaften des Evangelischen Bundes Sachsen hat es besucht. Erfahrungen aus dieser Begegnung, angereichert mit Eindrücken aus einem Gesprächsabend im Osho New Dawn in Dresden und der Lektüre einiger Schriften bilden das Material für diesen Artikel.

Neo-Sannyasin

Wir wurden trotz Regen von Rupamo („Liebende Schönheit“) auf dem Parkplatz empfangen und freundlich bewirtet. In einer ersten Gesprächsrunde berichteten Tarusha („Innerster Sieg“) und Sorreru („Glückselige Vielfältigkeit“) von ihrem Zentrum und stellten sich unseren Fragen.
Die Mitarbeiter des Zentrums tragen spirituelle Namen, sie sind „Neo-Sannyasin“. Rajneesh Chandra Mohan (1931–1990), zunächst Bhagwan und später Osho genannt, gab seinen Anhängern den alten indischen Ehrentitel Sannyasin, der ursprünglich Menschen bezeichnete, die am Ende ihres Lebens ganz den irdischen Lebensfreuden entsagt haben und sich als Asketen auf ihren Tod und die Erlösung vorbereiteten. Asketisch geht es im Osho-Manjusha Meditationszentrum im allgemeinen aber nicht zu. Die Bewohner betonen, ein ganz normales Leben zu führen, nur dass sie eben in einer Wohngemeinschaft leben und sich aktiv um ihre eigene Bewusstseinsentwicklung bemühen.

Geschichte

Den Anfang des Osho-Manjusha Meditationszentrums in Sachsen bildeten 1993 vier Sannyasins, die in Höckendorf ein Meditationszentrum mit Kommune aufbauten. Das Zentrum wuchs. 1998 lebten bereits 20 Personen in der Kommune und in zusätzlich angemieteten Wohnungen, so dass ein neuer Ort gesucht wurde. Das Vorhaben bekam den Namen „Komm in die Sonne – Projekt einer neuen Lebensgemeinschaft in Bewusstsein um Mahamudra und mit OSHO“. 1999 wurde für 450.000 DM das 16.000 qm große Grundstück in Schmiedeberg-Niederpöbel von der Treuhand gekauft mit der Absicht, dort in den kommenden Jahren 10 neue Häuser für 50 Bewohner und 50 Besucher zu errichten. Das alte Haus in Höckendorf steht derzeit zum Verkauf und soll die Finanzierung des Projektes unterstützen.

Organisation

Die Aktivitäten sind in drei verschiedenen Gesellschaften organisiert:

  • Wohnungsgenossenschaft „Komm in die Sonne“ für Bau, Grundstücke und Häuser,
  • Osho Manjusha Kommune e.V. zur Verwaltung und Versorgung der Bewohner und das
  • Osho Manjusha Meditationszentrum.

Außerdem gehört das Osho New Dawn Meditationszentrum in Dresden als Ableger für die Stadt dazu, in dem weniger tief spirituell gearbeitet wird sondern mehr an äußerem orientierte Veranstaltungen stattfinden (Tanz u. a.).

Die Kommune

Mit der Kommune verbinden sich große Visionen. Es soll versucht werden, „eine Commune zu leben, zu entwickeln und uns in eine Commune zu entwickeln, deren Basis die Liebe ist, das Zusammenfließen. Nicht das Leben in Strukturen, sondern das Leben im gemeinschaftlichen Sehen der Communeinteressen und der individuellen Interessen gleichzeitig.“ Es ist die Vision einer Menschengemeinschaft, die „in Liebe, Verständnis und Mitgefühl“ zusammen leben kann und in der jeder seinen Platz entsprechend dem Zustand findet, wie weit sein Bewusstsein entwickelt ist.
In der Wohngemeinschaft leben derzeit 32 Personen miteinander, dabei sind drei Kinder integriert. Lediglich 7 Bewohner stammen aus den neuen Bundesländern. Bei 13 Männern sind die Frauen in der Überzahl. Das Durchschnittsalter der Bewohner liegt knapp unter 40, außer den Kindern ist nur einer unter 30, aber auch drei Senioren wohnen im Zentrum.

Auch wenn es Paare unter den Bewohnern gibt, ist es offenbar doch nicht leicht, das Leben in der Kommune mit einer dauerhaften Partnerschaft zu verbinden. In der Vorstellung der Kommune im Jahresprogramm heißt es: „Den meisten ist ein freies Singleleben lieber als stagnierende Beziehungskisten, auch wenn der Wunsch nach Intimität damit nicht weg ist. Ob in Beziehung oder Sex: Wer hier ist, sucht Begegnung mit neuer Qualität und Reife.“ Die Singles bilden jedenfalls die deutliche Mehrheit, nur eine Bewohnerin ist verheiratet, aber ihr Mann lebt nicht mit im Zentrum.

Die Mitglieder zahlen derzeit 1100 DM monatlich für Kost und Logie. Darin eingeschlossen ist ein Gemeinschaftsbeitrag für die Teilnahme an den Veranstaltungen des Meditationszentrums. Obwohl niemand direkt im Zentrum angestellt ist, gehen 19 Bewohner vorwiegend innerhalb des Geländes ihrer Arbeit nach. Dies sind z. B. Selbständige, ein Promovent oder auch die Rentner. Die Übrigen arbeiten außerhalb. Jeder bewohnt ein eigenes Zimmer. Zum Gemeinschaftsleben gehören eine Stunde Meditation täglich und ein „stilles Wochenende“ im Monat.

Meditation

Meditation ist der wichtigste Begriff, wenn es darum geht, Gemeinsamkeiten der Bewohner oder das Anliegen des Zentrums zu beschreiben. Nun gibt es zahlreiche verschiedene Arten der Meditation und auch Osho hat verschiedene Formen entwickelt und gelehrt.

Meditation wie sie im Osho-Manjusha verstanden wird, bedeutet, sich auf sich selbst zu konzentrieren, um sich selbst kennenzulernen. Dabei sollen positive und negative Seiten angenommen und ausgeglichen werden. „Meditation bedeutet das Verarbeiten, das Verstehen von sich selbst, das Zurückverfolgen tiefster Konflikte bis zu ihrem Ursprung und das Lösen dieser Konflikte.“

Das Ziel der Meditation ist Bewusstheit oder auch Erleuchtung. Das Mittel dazu ist die „Transformation“ des „Ego“. Eine wichtige Rolle spielen dabei Energien und Schwingungen. Energien werden als das Rohmaterial für die Transformation bezeichnet. „In der Meditation verändern sie sich, werden feiner und schneller, verwandeln sich in Bewusstsein, Consciousness. Je mehr man in der Meditation bei sich bleibt und Energie aus dem Körper sammelt, verdichtet, beschleunigt, desto mehr wächst das Bewusstsein.“ Eine enorme Unterstützung könne dabei ein hochenergetisches und verfeinertes Buddhafeld wie dieses Zentrum bieten, so dass man sich beim Verlassen des Zentrums erst wieder auf die normalen Schwingungen der Außenwelt umstellen müsse.

Von der Meditation wird viel erwartet. Sie gilt als der Schlüssel für alles, was in der Kommune passieren kann. Man könne in den Gesichtern sehen, wer viel und lange meditiert und damit eine andere Qualität bekommen habe: immer feiner, immer sensitiver, immer stiller, immer bewusster.

Kreativität und Heilung

Neben der Meditation bilden Kreativität und Heilung die wichtigsten Begriffe zur Beschreibung der Ziele. Meditation soll den Weg nach innen, in die Tiefen des Selbst öffnen, dort Blockaden beseitigen und gestaute Energien freisetzen. Damit diese Energien nicht wieder destruktiv wirken, sollen sie in Kreativität umgeleitet werden. Insofern bringe Meditation Heilung. Zugleich erzeugt sie aber auch einen Bedarf nach Heilung. Mahamudra meint: „In der Regel – und ich kann schon sagen, bei allen, die hier meditieren, ist es so – haben bewusste Menschen tiefe seelische Verletzungen.“ Es geht darum, „die tiefen und karmischen Konflikte zu lösen, so dass auch die Seelen wieder nach Hause kommen können, die völlig auseinander gebrochen sind.“

In diesem Sinn werden zahlreiche alternative Therapieverfahren angeboten. Das Spektrum reicht von Augenlesen bis zu Reiki. Die Angebote verstehen sich als Unterstützung zur Selbstheilung. Dazu heißt es auf der Webseite: „Ein Schwerpunkt der Heilungsarbeit liegt in tiefen seelischen Bereichen, zu denen der Zugang durch Meditation geöffnet werden kann - die Traumarbeit, unter langjähriger erfahrener Anleitung. Am Ende jedes Heilungsprozesses steht eine Integration des Erfahrenen in die eigene Seele.“ Weiter heißt es: „Arbeiten am Körper, an Emotionen, an der Wahrnehmung sind in Veranstaltungen, Einzelarbeit und durch Teilnahme am Leben, Arbeit und Aktivitäten im Buddhafeld möglich.“

Buddhafeld

Zeitschriftencover RosarotUm die Pflege dieses „Buddhafeldes“ bemüht sich die vom Meditationszentrum herausgegebene zweimonatlich erscheinende Zeitschrift „Rosarot“, die neben der Darstellung der eigenen Aktivitäten Werbung für zahlreiche andere therapeutische und esoterische Unternehmen im mitteldeutschen Raum betreibt. Nicht alle dort aufgeführten Anbieter haben etwas mit Osho zu tun oder sind Sannyasin. Dennoch empfinden sie sich als geistesverwandt in dem gemeinsamen Bemühen um die Etablierung esoterischer Grundanschauungen und wissenschaftlich nicht anerkannter Heilweisen. In diesem Sinn fungiert das Osho-Manjusha-Meditationszentrum auch als Motor der Esoterikszene in Sachsen.

Der Meister

Was ist das Besondere an Osho? Aussagen fielen den Bewohnern sichtlich schwer. Das könne man nicht allgemein sagen, für jeden sei dies etwas individuell sehr verschiedenes. Es scheint, als ob paradoxerweise die Betonung der Individualität die wichtigste Gemeinsamkeit bildet. Aber es muss doch etwas Verbindendes, Überindividuelles geben?

Wenn es komplizierter wird, verwiesen unsere Gesprächspartner auf Mahamudra. Sie wird diese Fragen beantworten. In der Tat ist das Verhältnis der Osho-Jünger zu ihrem Meister nicht ganz einfach zu verstehen. Das Wort Osho ist japanisch und bedeutet Meister - ein Titel, den sich der frühere Sri Rajneesh Bhaghwan erst kurz vor seinem Tod zugelegt hat und der seitdem zum Namen und Markenzeichen geworden ist. Oshos Bild hängt in fast allen Zimmern, sein Name steht über dem ganzen Projekt und auf jeder Einladung, seine Bücher und Videos in den Regalen. Der Guru mit dem imposanten Bart und dem durchdringenden Blick nimmt ganz offensichtlich eine wichtige Stellung ein.

Spricht man die Bewohner darauf an, so bekommt man fast das Gegenteil des äußeren Eindruckes zu hören. Statt Orientierung am Meister wird die völlige Freiheit des Individuums herausgestellt. Immer wieder wird betont, dass Osho keine Lehre verbreitet, kein dogmatisches System errichtet, keine starren Regeln aufgestellt habe. Das, was sie Osho verdanken, das besondere an ihm sei, dass er ihnen gerade keine Vorschriften gemacht habe.

Was ist es dann, was den Meister zum Meister werden lässt? Herr Müller von nebenan macht mir auch keine Vorschriften, dennoch hänge ich mir nicht sein Bild ins Zimmer. Eine intensive Beziehung ist nicht zu leugnen, doch wie kann man sie sachgerecht beschreiben? Die Sannyasin nennen es Dankbarkeit gegenüber Osho. Dankbarkeit, dass er ihnen geholfen habe, ihr eigenes Ich zu suchen.

Die große Seele

Mahamudra (Hauke Messerschmidt)Osho ist tot. Es ist auch innerhalb des Zentrums etwas besonderes, ihn noch persönlich erlebt zu haben. Die Beziehung zu ihm könne dennoch bestehen, da er in seinem Mentalkörper noch gegenwärtig sei, so erläutert es Mahamudra, die Leiterin des Zentrums. Mahamudra bedeutet „große Seele“. Diesen Sannyas-Namen hat sie von Osho bekommen, den sie selbst auch nur kurz erlebte. Hauke Messerschmidt, so ihr bürgerlicher Name, ist 1944 in Hamburg geboren, war bereits mit 16 verheiratet, mit 23 verwitwet, arbeitete, gründete eine Computerfirma, lebte ein bürgerliches Leben. 1980 verließ sie dieses und ging mit einer Tochter nach Indien zu Bhagwan („dem Göttlichen“) wie Rajneesh Chandra Mohan sich damals noch nannte. Die andere Tochter blieb in Deutschland um ihr Abitur abzuschließen. Obwohl Osho kurz nach ihrer Ankunft Indien verließ und nach Amerika ging, blieb sie noch 7 Jahre dort. Seit 1987 bemüht sie sich in seinem Auftrag um den Aufbau eines Meditationszentrums, zunächst in Großbritannien und seit 1993 in Sachsen.

Für die Bewohner des Zentrums ist Mahamudra eine besondere Person. Nicht einfach nur, weil sie die Gründerin des Zentrums ist und als solche Leiterin des Unternehmens. Sie umgibt eine Aura des Besonderen. Sie wirkt nicht wie die Chefin einer Firma, sondern wie eine Königin eines kleinen Königreiches. Sicherlich eine milde und gütige Königin, die von ihren Untergebenen geliebt und geachtet wird. Aber sie ist deutlich von jenen unterschieden. Das gilt schon räumlich: sie wohnt nicht wie alle in der Kommune, sondern hat ihren eigenen Wohnbereich, der von allen respektiert wird und in den man keinesfalls unangemeldet und ohne Einladung vordringen darf, wie es der Leitfaden für Besucher erläutert. Auch im Neubauprojekt bekommt sie ihr eigenes Haus – größer und abgeschieden von den anderern Kommunemitgliedern. Die Besonderheit gilt aber auch geistlich: Nach Aussage eines Kommune-Mitgliedes habe sie das mit Abstand am weitesten entwickelte Bewusstsein. So hat ihr Wort besonderes Gewicht, wird ihr Rat in persönlichen Lebensfragen gesucht – offenbar nicht nur von Kommune-Mitgliedern. Eine Stunde persönliches Gespräch mit Mahamudra kostet 120,- DM, das ist doppelt so viel wie die astrologische Beratung bei Tamanna, Tibetan Pulsing oder Augenlesen bei Rasiko, Craniosacrale, Rebalancing– oder Massagebehandlung bei Anjali oder Fußreflexzonenmassage bei Karmananda. Auf der Webseite heißt es: „Mahamudras Präsenz ist für viele Grund, im Manjusha zu sein. Es ist für sie ein großes Geschenk, von jemandem, der die Reise nach innen schon gemacht hat und doch so hautnah am Leben ist, auf unbekanntes Terrain geführt zu werden.“ Ohne Führung kann auch die individuelle Freiheit nicht bleiben. Mahamudra ist stolz darauf, dass sie für jedes Kommunemitglied eine Vertrauensperson ist. Sie sprach davon, dass für sie die Kommune „wie eine große Familie“ sei, „mit 30 Kindern“.

Auch wenn es, wie immer wieder betont wird, bei Oshos keine „Lehre“ gebe, sondern statt dessen die individuelle Entwicklung des Einzelnen gefördert werden soll, hat Mahamudra auch mehr als dem Einzelnen etwas zu sagen. Einmal im Monat, beim „Day of the Days“ hält sie eine Ansprache, die auf Band mitgeschnitten und später auch in Buchform veröffentlicht wird.

Zu Christentum und Kirche haben die bisher getroffenen Bewohner ein eher distanziertes Verhältnis. Sei es, dass sie wie Mahamudra nie eine christliche Erziehung hatten, oder dass sie in ihrer Biographie negative Erfahrungen mit Theologie und Kirche gemacht haben – gemeinsam scheint vielen eine Mischung aus Abneigung und Unverständnis.

Eindruck

Zum Abschluss möchte ich einen persönlichen Eindruck formulieren. Meine Gesprächspartner wirkten im allgemeinen mit ihrer Situation nicht unglücklich. Sie empfanden es als etwas Gutes, im Mediationszentrum an der Heilung ihrer Seele arbeiten zu können. Dennoch bekam ich den Eindruck, dass manche damit eine große Unsicherheit verdecken. Die von Osho geforderte Zertrümmerung des Ego, die Skepsis gegenüber der Vernunft und die Einbindung in ein Meister–Schüler–Verhältnis – all dies bleibt nicht ohne Folgen.

Praktisch sehe ich die Gefahr, in der Falle der ständigen Selbstsuche steckenzubleiben. Bei manchen zieht sich diese über Jahrzehnte hin, ohne dass sie zu einer „Heilung“ finden. Das Forschen nach den Verletzungen der eigenen Seele, das ständige Lauschen auf die eigene Befindlichkeit, die Suche nach der eigenen Selbstbefreiung verengt die Perspektive auf das Ego, von dem man sich ja gerade befreien möchte. Möglicherweise differieren hier die Zielvorstellungen: eine gefestigte Persönlichkeit auf der einen – eine bewusste und sensitive Seele auf der anderen Seite. Vielleicht müssen das auch keine Widersprüche sein, aber nach meinem Eindruck sind sie dies in der Praxis oft.

Die Osho-Anhänger stellen eine eigenartige Religionsgemeinschaft dar, auch wenn dieser Charakter im allgemeinen Bewusstsein eher im Hintergrund steht. Dass man sein wahres Selbst ohne Beziehung zu Jesus wirklich finden, „Erleuchtung“, Erlösung und Vollendung ohne Vertrauen auf Gott wirklich erlangen kann, muss aus christlicher Sicht bezweifelt werden.

Harald Lamprecht,
September 2001

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