Guru des Lächelns - lächerlicher Guru

Sri Sri Ravi Shankar in Sachsen

Große Plakate mit dem Bild eines lächelnden weißgekleideten bärtigen Mannes luden in Leipzig und Dresden dazu ein: Sri Sri Ravi Shankar kommt persönliche und bringt die „Wiederkehr menschlicher Werte“. Die Zeitungen druckten (scheinbar ohne eigene Recherchen) die Selbstdarstellung des veranstaltenden Vereins „Die Kunst des Lebens“ (international: Art of Living Foundation) und berichteten vorab über 500 bereits verkaufte Eintrittskarten. Bei 15 EUR/Karte erscheint das für den im allgemeinen religiös wenig ansprechbaren Osten ein erstaunlicher Zulauf. Das Bild relativiert sich, wenn man die Reisebusse aus den Niederlanden, Großbritannien, Italien und anderen Ländern vor dem Veranstaltungsort sieht, die offenbar die Fans des Gurus aus ganz Europa mitgebracht haben und die schon allein für eine Füllung der Halle mit begeistertem Publikum sorgen.

Eigentlich waren es vier Veranstaltungen in einer, die jede für sich eine gewisse Dürftigkeit aufwiesen:

1) Markttreiben

Vor dem Haus Auensee in Leipzig herrschte etwas indische Volksfestatmosphäre: vegetarisches Essen an diversen Ständen, dazu der Duft von Räucherstäbchen und umfangreicher Handel mit Devotionalien des Guru sowie Ayurveda-Produkten trugen zu der besonderen Stimmung bei.

Dass der Verkäufer am Büchertisch kein Deutsch konnte, obwohl die ausliegenden Publikationen größtenteils in deutsch vorlagen, unterstreicht den internationalen, weniger den professionellen Charakter der Veranstaltung und der hinter ihr stehenden Organisation.

2) Erfolgstraining

Nach einem kurzen Video über die sozialen Aktivitäten von „His Holiness“ Sri Sri Ravi Shankars bemühten sich die Kursleiter der Kunst des Lebens Christoph Glaser und Eva Legall, die Grundlagen der Sudarshan-Kriya genannten und von Ravi Shankar entwickelten Atemtechnik zu erläutern. Dies sei ein „Wunderbares Geschenk“ von Ravi Shankar.

Die für Oktober angekündigten Kurse gibt es freilich nicht geschenkt, für die diese Darbietung eine ziemlich unverhüllte Werbeveranstaltung war. Noch mehrfach im Verlauf des Abends wies Herr Glaser auf seine Kursangebote hin und verteilte am Ausgang höchstpersönlich noch einmal seine Werbeflyer mit Terminen und Anmeldeformular.

Wie unwichtig dies für alle anderen war, zeigte sich, als plötzlich mitten im Satz Herrn Glasers Ausführungen durch lautes Gejohle und Beifallsstürme unterbrochen wurden: Sri Sri Ravi Shankar kam von hinten durch die Reihen geschritten um auf seinem vorbereiteten Thron Platz zu nehmen und damit die dritte (oder eigentliche?) Veranstaltung zu eröffnen.

3) Gurutalk

Der Meister selbst vermochte vor allem seine ihm nachgereisten Jünger zu begeistern - andere Teilnehmer sahen dazu keinen Grund. Er glänzte einzig durch das reine Weiß seines Gewandes, das er immer wieder besorgt zurechtzupfte. Ein charismatischer Redner war er wahrlich nicht und machte nicht selten ebensolange Pausen wie Sätze. Es gab auch keinen Vortrag, sondern den Versuch, aus dem Publikum zugerufene Fragen zu beantworten. So sprach er über die Liebe, die Überwindung von Aggressionen (durch Liebe), Gott (der Liebe ist), Jesus (als Verkörperung der Liebe). Gelegentlich wirkte er wie ein Schauspieler, der seinen Text vergessen hatte. Dann kramte er in seinem Zettelkasten, in dem zuvor vom Publikum aufgeschriebene (und dann ins englische übersetzte) Fragen gesammelt waren. Einem Student eine Reihe hinter mir entfuhr die Bemerkung „So ein Schwachsinn!“ Er sprach aus, was wohl viele angesichts der flachen Antworten dachten, ausgenommen natürlich die Fans, die bereitwillig jeden Seufzer ihres Meisters beklatschten. Nach diesem eher qualvollen Teil folgte eine Meditation, in der man erst sanft hin- und her schaukeln, dann nur noch ruhig dasitzen sollte. Mit dem Hinweis, dass inzwischen (während 15 Minuten nach meiner Uhr) 25 Minuten vergangen seien, ohne dass wir es bemerkt hätten, endete der Part des Guru und es folgte Musik.

4) Popkonzert

Die Musik der gut 15köpfigen indischen Folklore-Band war vielleicht noch der gehaltvollste Teil des Abends. Mit indischen Zweizeilern zu eingängigen Melodien in 30facher Wiederholung trommelten sich die Anhänger allerdings derart schnell in Extase, dass die „normalen“ Besucher zum Teil etwas unbehaglich dreinblickten. Bereits beim Ende des ersten Liedes nach der Meditation tanzte und hüpfte die ganze Empore, mit dem zweiten Lied lichtete sich das Mittelfeld: die Besucher strömten nach Hause, die Fans strömten nach vorne. Ravi Shankar trug anfangs noch mit zwei winzigen Schellen das Seinige zum Klang bei, dann verließ er mit einem Winken die Bühne mitten im Lied. Die Veranstaltung mutierte zum Popkonzert Shiva besingender Indienfreunde.

Insgesamt wirkte der Auftritt wie eine Guru-Persiflage. Ob Ravi Shankar in einigen Jahren seine Memoiren veröffentlicht und den verdutzten Fans offenbart, dass er lediglich testen wollte, wieviel Plattheit die Leute zu schlucken vermögen, wenn man sie nur „heilig“ genug verpackt? Dass er selber die ganze Sache nicht ernst nehmen kann? Dass er sich wünscht, das Publikum möge irgendwann einmal „Stop“ rufen und den Spuk beenden? Vielleicht macht er aus der Not eine Tugend, flüchtet er darum ins Lächerliche und erklärt dies flugs zur Methode und Therapie. So durfte denn auch der Teilnehmer, der angesichts der grotesken Situation sein Lachen nicht mehr zurückhalten und auch zur Meditation das Kichern nur schwerlich unterdrücken konnte, sich durchaus im Einklang mit den Lehren Ravi Shankars fühlen.

Dr. Harald Lamprecht

ist Beauftragter für Weltanschauungs- und Sektenfragen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und Geschäftsführer des Evangelischen Bundes Sachsen.

Artikel-URL: https://www.confessio.de/artikel/981