Die psychologische Schwingungsmatratze

Eindrücke vom ersten Vorstellungsabend des Landmark-Forums am 24. 8. 2000 in Dresden

Bei meinem ersten Urlaub auf Teneriffa machte ich den Fehler, mir eine kostenlose Inselrundfahrt durch die Teilnahme an einer Werbeverkaufsschau zu erkaufen. Dort versuchte ein wortgewandter Verkäufer dem überwiegend älteren Publikum begreiflich zu machen, wie der Kauf einer "oszillierenden Schwingungsmatraze" für rund 800,- DM ihr Leben verändern würde. Sein Trick bestand darin, sich nicht als Firmenvertreter, sondern als Anwalt der Gesundheit des Publikums zu präsentieren, der zu ihrem eigenen Vorteil den Widerstand der Sparsamkeit überwinden müsse. In der Tat gelang es ihm, durch geschicktes Ausräumen aller Bedenken und indem er einen Entscheidungsdruck erzeugte, vier seiner Matrazen zu verkaufen. An dieses Erlebnis fühlte ich mich während der Veranstaltung des Landmark-Forums fortwährend erinnert.

Es ist Abend und ich betrete die Eingangshalle des Hotels, wo mich freundliche Damen und Herren begrüßen: "Sie möchten zu Landmark-Education? Zweiter Stock bitte." Dort sind vor der Tür der Veranstaltungssaales eine Reihe Tische aufgebaut, hinter denen Landmark-Mitarbeiter sitzen und die eintreffenden Teilnehmer betreuen. "Bitte suchen sie sich einen freien Tisch, dort können Sie sich anmelden." Etwas verunsichert begebe ich mich an einen der Tische, denn ich wollte mich noch nirgends anmelden, sondern mich erst einmal informieren. Am Tisch werde ich gebeten, eine Gästekarte mit Namen und Telefonnummern (für spätere Kontakte) auszufüllen und bekomme einen Prospekt mit inliegender Anmeldekarte sowie ein Namensschild. Die Namensschilder offenbarten im Lauf der Veranstaltung noch ihre besondere Bedeutung. Man konnte anhand der verschiedenen Schildertypen nämlich sofort die "Gäste", also diejenigen, die als Interessenten und potentielle Forumsteilnehmer gekommen waren, von denen unterscheiden, die das Forum bereits absolviert hatten und als Ansprechpartner und Betreuer mit anwesend waren. Darüber hinaus ermöglichten die Schilder, die überwiegend mit dem Vornamen beschriftet waren, einen schnelleren intimeren Kontakt untereinander.

Dieser Vorstellungsabend war der erste, der bislang von Landmark Education in diesem Bereich abgehalten wurde. Das Einzugsgebiet erstreckte sich von Dresden über Chemnitz und Berlin bis nach Erfurt. Öffentliche Werbung gab es nicht, sondern alle der ca. 80 Anwesenden waren von ehemaligen Teilnehmern des "Forum" über persönliche Kontakte eingeladen worden. Es war Glück, dass ich durch einen Telefonanruf davon erfahren hatte. Kritisches Publikum war durch dieses Einladungsverhalten verständlicherweise nicht anwesend.

Den Abend gestaltete eine Schweizerin mittleren Alters, die auch als diejenige vorgestellt wurde, die selbst das Forum in Frankfurt leiten werde. Dies ermöglichte einen gewissen Einblick in die Atmosphäre, die einen potentiellen Teilnehmer beim Forum erwartet. In unterhaltsamer Weise plauderte sie über das Landmark-Forum: Wer die Leute seien, für die es gedacht sei und welche Vorteile es brächte. Regelmäßig wurde versucht, die Zuhörer mit einzubeziehen und zu beteiligen, sei es durch Melden ("Wer von Ihnen hat so etwas schon mal erlebt...?") oder durch gezielte Aufgaben ("Stellen Sie sich eine Situation in ihrem Leben vor, in der ...").

Die Gestaltung war abwechslungsreich und die Dramaturgie ausgefeilt: als die Leiterin Ergebnisse des Forum erläuterte, forderte sie scheinbar spontan diejenigen auf, die bereits das Forum hinter sich hatten, von ihren Erfahrungen zu Berichten. Vier Personen kamen nach vorn und gaben z. T. sehr intime Schilderungen ihrer Lebenssituationen vor und nach dem Forum ab. Eine junge Schweizerin erzählte, wie sie durch das Forum besser mit der Erziehung ihrer drei Kinder zurecht käme. Ein Mann aus Erfurt berichtete sehr ergreifend vom Scheitern seiner Ehe. Durch das Forum sei sie zwar nicht wieder geheilt worden, aber er habe seinen Anteil daran erkennen können und sei nun mit seiner Ex-Frau im Reinen. Ein junger Landwirt aus der Gegend von Köln schilderte seinen Konflikt mit seiner Mutter, die ihn ständig kritisierte. Im Forum habe er erkannt, das dies der Ausdruck ihrer Liebe sei. Nun könne er dies alles annehmen. Und eine ältere Dame - auch aus der Schweiz - berichtete von den alltäglichen Reibereien mit ihrem Mann, die durch das Forum eine Wendung bekamen. Gemeinsam an diesen Berichten war, dass die Betreffenden eine neue Sicht auf ihr eigenes Leben gewannen und dadurch bestimmte Einflüsse ihrer Umgebung, die sie bislang massiv gestört hatten, plötzlich integrieren konnten.

In geschickter Weise wurde versucht, ein möglichst breites Spektrum der Erfahrungen anzusprechen, die möglicherweise bei den Teilnehmern "wunde Punkte" darstellen. Insbesondere die täglichen kleinen und größeren Probleme im zwischenmenschlichen Bereich, sei es in der Familie oder im Kreis der Arbeitskollegen, wurden benannt und immer wieder mit dem Forum als dem Weg zur Beseitigung dieser Probleme in Verbindung gebracht. Seinen Höhepunkt fand der erste Teil in der Aufforderung, dass sich jeder sein größtes persönliches Problem vorstellen solle und dann darüber nachdenken, was alles anders wäre, wenn dieses Problem nicht existieren würde. "Wenn Sie wollen, dass es so wird, dann machen Sie das Forum! Sie haben jetzt in der Pause die Möglichkeit, sich für das Forum anzumelden."

Damit begann eine lange Pause, in der keiner, den sein Namensschild als Gast auswies, ohne einen Forums-erfahrenen Gesprächspartner blieb. Ziel dieser Gespräche war es, noch vorhandene Zweifel und Widerstände auszuräumen und die Gäste zur Anmeldung zum Forum zu bewegen. Die individuellen "Verkaufsgespräche" folgten dabei dem gleichen Muster: Finden des persönlichen Problems, Versprechen, dass das Forum dieses Problem lösen werde und Aufforderung zur Anmeldung.

Das Forum wurde als die universelle Lösung für die Probleme eines jeden präsentiert. Wie es diesen Anspruch erfüllen könne, blieb freilich unbegründet. Allerdings suggerierten die vorgetragenen Lebenszeugnisse, dass das Forum in jedem Fall erfolgreich sei.

Der dritte Teil des Abends war denen gewidmet, die sich zwar für das Forum interessierten, aber noch unschlüssig waren und sich aus irgendwelchen Gründen noch nicht angemeldet hatten. Diese wurden im Plenum noch einmal gezielt agitiert. Ein Teilnehmer äußerte, so wichtige Dinge sollte man "überschlafen" und am nächsten Morgen entscheiden. Dieser Einwand wurde mit dem Argument abgeschmettert, "Wenn man immer alles vor sich her schiebt, ist das Leben vorbei, bevor man etwas getan hat, um es zu verbessern." Zur Besinnung sollte kein Raum gegeben werden. Eine Gelegenheit zu kritischen Rückfragen im Plenum bestand während des gesamten Abends nicht. An keiner Stelle gab die Leiterin den Gesprächsfaden aus der Hand. Lediglich zu ganz gezielten Anfragen bestand die Möglichkeit zu Reaktionen des Publikums. Seine Bedenken konnte man nur im persönlichen Gespräch vorbringen - andere Teilnehmer sollten davon offenbar nicht irritiert werden.

Insgesamt habe ich diese Veranstaltung als ein knallhartes Verkaufsgespräch erlebt - auch wenn dieser Charakter sicherlich den wenigsten Teilnehmern bewußt geworden ist, da sich die Forumsleiterin (wie der Verkäufer der Schwingungsmatraze) geschickt als Anwalt der psychischen Gesundheit und des Erfolgs im Leben des Gäste zu präsentieren verstand. Es kam an diesem Abend aber nicht darauf an, die Gäste lediglich zu informieren und ihnen Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit dem Thema zu geben, sondern sie durch den aufgebauten Entscheidungsdruck zu überrumpeln und zu einer sofortigen Anmeldung zu bewegen.

Das Landmark-Forum als psychologische Kaffeefahrt? Im Unterschied zur Schwingungsmatraze ist der Kaufgegenstand hier ein Kurs zur Umkrempelung der eigenen Psyche. Das Forum verspricht grundlegende Änderungen in der Person, die auch noch ein Leben lang vorhalten sollen, an einem einzigen Wochenende zu vollbringen. Das eine derart starke "Medizin" - so sie denn wirksam ist - auch entsprechend starke "Nebenwirkungen" aufweist, scheint mir naheliegend. Das Buch von Martin Lell "Das Forum. Protokoll einer Gehirnwäsche", der übrigens seine Erfahrungen mit der gleichen Forums-Leiterin machte, beschreibt einen solchen Fall mißglückter "Therapie" bzw. unerwünschter "Nebenwirkungen". Dass es solche aber geben kann, blieb gänzlich unerwähnt. Dieser Punkt ist den Veranstaltern anzulasten. Ansonsten gilt der Rat, den jede Verbraucherzentrale gibt, besonders auch für das Landmark Forum: Nichts gleich unterschreiben, immer erst in Ruhe zu Hause darüber nachdenken.

Dr. Harald Lamprecht

ist Beauftragter für Weltanschauungs- und Sektenfragen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und Geschäftsführer des Evangelischen Bundes Sachsen.

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