Altar mit Abendmahlskelchen
Altar mit Abendmahlskelchen

Warum bremst Rom?

Zum Streit um die Eucharistiezulassung für konfessionsverbindende Ehepaare

Das Zerwürfnis innerhalb der römisch-katholischen Deutschen Bischofskonferenz (DBK) ist unübersehbar. Zu ihrer Frühjahrsvollversammlung 2018 in Ingolstadt hatten die deutschen Bischöfe mit großer Mehrheit eine Handreichung beschlossen, die ein großes und seit Jahrzehnten drängendes Thema aufgegriffen hat: Es ging um die Frage, ob und unter welchen Umständen evangelische Ehepartner von Katholiken mit zur katholischen Eucharistie zugelassen werden können. 

„Mit Christus gehen - Der Einheit auf der Spur. Konfessionsverschiedene Ehen und gemeinsame Teilnahme an der Eucharistie” lautete der Titel des Dokumentes. Mit vielen „Wenn“ und „Aber“ versehen, auch nur im Status einer seelsorgerlichen Einzelfallentscheidung nach intensiver vorheriger Glaubensprüfung, wenn der Glaube der katholischen Kirche zur Eucharistie bejaht wird und um eine „schwere geistige Notlage“ zu beenden, dann – aber immerhin dann – können auch evangelische Partner zum Empfang der Eucharistie in der Kommunion zugelassen werden. 

So soll es in dem Papier gestanden haben, um das seitdem heftig gestritten wird und das darum auch noch nicht veröffentlicht ist. Dies sei keine Veränderung der Dogmatik, betonte Kardinal Marx in Meldungen von der Vollversammlung, sondern lediglich eine Orientierungshilfe für Seelsorger, wie das bestehende Kirchenrecht zu interpretieren sei. Auch handele es sich nicht um eine allgemeine Freigabe der Eucharistie für protestantische Ehepartner, sondern es bleibe bei einzelnen Ausnahmefall­entscheidungen. Aus evangelischer Sicht also durchaus ein Schritt in die richtige Richtung, aber kein gewaltiger Durchbruch, sondern doch eher ein Kaffeebohnenschrittchen für eine ganz spezifische kleine Gruppe.

Protest hintenrum

Auch eine „mit weit überwiegender Mehrheit“ getroffene Entscheidung beinhaltet, dass einzelne nicht zu dieser Mehrheit gehörten und folglich eine andere Meinung vertraten. Der Erzbischof von Köln, Rainer Maria Woelki, war zum Beispiel einer von diesen. Er sah in dem Kaffeebohnenschritt dann eben doch eine Grenzüberschreitung, und zwar eine solch schwere, die nach seiner Meinung nicht „mit dem Glauben und der Einheit der Kirche vereinbar“ sei, so dass er in einem Brief am 23. März 2018 den Präsidenten des Päpstlichen Rats für die Einheit der Christen „um Hilfe bittet“. Aus der von Kardinal Marx veröffentlichten Antwort ist zu entnehmen, dass auch der Erzbischof von Bamberg und die Bischöfe von Augsburg, Eichstätt, Görlitz, Passau und Regensburg zu dieser Minderheit gehörten, die den Beschluss der Bischofskonferenz in Rom beklagten, und dass der Brief in Kopie auch an weitere römische Dikasterien gegangen ist, so zu dem Vorsitzenden der Glaubenskongregation, Erzbischof Luis Ladaria SJ, dem Sekretär des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte, Bischof Juan Ignacio Arrieta Ochoa und dem Apostolischen Nuntius. 

Das Problem

Das römische Kirchenrecht sieht eine enge Verbindung zwischen Kirchengemeinschaft und Eucharistiegemeinschaft vor, weshalb im Normalfall auch nur Christen zur Kommunion zugelassen sind, die auch zur röm.-kath. Kirche gehören. Ähnlich geschlossen sind auch die orthodoxen Kirchen. Allerdings kennt das römische Kirchenrecht in Gestalt des Codex Iuris Canonici (CIC) im Artikel 844 §4 auch Ausnahmen bei Todesgefahr oder bei einer „schweren Notlage“ (necessitas gravis). Der Streit unter den Bischöfen geht nun darum, in wieweit der Schmerz christlicher Ehepartner, ausgerechnet am Tisch des Herrn getrennt zu werden, als eine solche Notlage anerkannt werden kann. 

Mögliche Lösungen

Mehr als drei Viertel der deutschen Bischöfe votierten dafür, dass diese Sehnsucht von Ehepartnern nach gemeinsamer Teilnahme an der Eucharistie als geistliche Notlage zu akzeptieren sei und nach Prüfung der sonstigen Bedingungen eine entsprechende Ausnahmeerlaubnis erteilt werden könne. Die Rheinische „Tagespost“ hat offenbar genauere Kenntnis des beschlossenen, aber unveröffentlichten Handreichungstextes bekommen und berichtet über seinen Inhalt:1 „Zunächst wird festgehalten, dass der Eucharistieempfang nicht als Mittel zum Zweck einer ökumenischen Verständigung benutzt werden dürfe. Zugleich wird betont, dass ein Empfang des evangelischen Abendmahls für den katholischen Ehepartner weiterhin nicht möglich sei, da dies ein gemeinsames Verständnis des Altarsakramentes und der Sakramentalität der Kirche voraussetze. Der Weg, den das Papier zum ›persönlich verantworteten und kirchlich anerkannten‹ Kommunionempfang vorsieht für konfessionsverschiedene Ehepartner, besteht in einem seelsorglichen Gespräch und in der Berufung auf das jeweilige Gewissen.“ Weiterhin sagt der Text der Handreichung: „Es ist eine große Not, wenn der Glaube … zur Sehnsucht nach der gemeinsamen Kommunion führt, ohne dass sich ein Weg zeigt, diesem Wunsch mit dem Segen der Kirche zu entsprechen.” In der Zusammenfassung heißt es: „Alle, die in einer konfessionsverbindenden Ehe nach einer reiflichen Prüfung in einem geistlichen Gespräch … zu dem Gewissensurteil gelangt sind, den Glauben der Kirche zu bejahen, eine ‘schwere geistliche Notlage’ beenden und die Sehnsucht nach der Eucharistie stillen zu müssen, dürfen zum Tisch des Herrn hinzutreten, um die Kommunion zu empfangen.”

Rechtfertigungsgründe

Die Autoren der Handreichung berufen sich neben dem CIC auf weitere Quellen, die der Magdeburger Bischof Dr. Gerhard Feige in einem „Zwischenruf“ dargelegt hat:2

Das Ökumenismusdekret des II. Vatikanischen Konzils „Unitatis redintegratio“ (1964) besagt, wie man sich in der Frage einer Eucharistiegemeinschaft mit Christen anderer Kirchen konkret zu verhalten hat, soll, nämlich: unter Berücksichtigung aller Umstände der Zeit, des Ortes und der Personen die örtliche bischöfliche Autorität in klugem Ermessen entscheiden, soweit nicht etwas anderes von der Bischofskonferenz nach Maßgabe ihrer eigenen Statuten oder vom Hl. Stuhl bestimmt ist“. Dabei seien „zwei Prinzipien maßgebend: die Bezeugung der Einheit verbietet in den meisten Fällen die Gottesdienstgemeinschaft (communicatio in sacris), die Sorge um die Gnade empfiehlt sie indessen in manchen Fällen“ (UR 8).

Ähnlich wie der CIC äußern sich auch spätere Dokumente (wie das Ökumenische Direktorium und der Katechismus der katholischen Kirche von 1993 sowie die zwei Enzykliken von Papst Johannes Paul II. „Ut unum sint“ von 1995 und „Ecclesia de Eucharistia“ von 2003), wobei aber unter den Bedingungen die Erreichbarkeit eines Spenders der eigenen Gemeinschaft nicht mehr als eigenes Kriterium genannt wird.

In der Enzyklika „Ecclesia de Eucharistia“ (45) erklärt Papst Johannes Paul II, dass einzelnen Personen, die nicht in der vollen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen, bei einem „schwerwiegenden geistlichen Bedürfnis“ (gravis spiritualis necessitas), nämlich die Kommunion zu empfangen, entgegenzukommen ist.

Die Rechtfertigung für eine Lösung auf der Ebene der Deutschen Bischofskonferenz liegt im pastoralen Charakter der Handreichung. Bischof Feige dazu: „Da nicht überall auf der Welt die Bevölkerung konfessionell so gemischt ist wie in Deutschland und auch nur in wenigen Gegenden auf der Erde sich ein solches Gespür für die Herausforderungen der davon betroffenen Ehen entwickelt hat wie bei uns, erscheint es durchaus als sinnvoll und erlaubt, ja sogar als dringlich, nicht erst auf eine gesamtkirchliche Entscheidung zu warten, sondern die Initiative zu ergreifen, eine verantwortungsbewusste und angemessene Lösung vor Ort zu finden.“

Keine Lösung

Die Kritiker sehen das anders. Sie wehren sich vehement gegen den pastoralen Charakter und wollen das Thema unbedingt und ausschließlich von der dogmatisch-grundsätzlichen Seite her betrachten. „Mit der Methode der Umdeutung aller grundsätzlichen Glaubensfragen zu pastoralen Fragen, die letztlich in das Belieben der Gewissensentscheidung des Einzelnen gestellt werden, die von der Kirche nur noch entgegengenommen wird, wird faktisch die Einheit des katholischen Glaubens zerstört“ meint der Kommentator Michael Karger in der Tagespost.3 Trotz „persönlicher Gewissensentscheidung“ „im Einzelfall“ „nach reiflicher Überlegung“ im Gespräch mit einem Seelsorger sehen die Kritiker dann doch die Zulassung „generell ermöglicht“ – und das dürfe nicht sein. So suchen sie die Entscheidung der Bischofskonferenz zu hintertreiben, indem sie die Zuständigkeit des Gremiums bestreiten. 

Bischof Feige schreibt in seinem „Zwischenruf“ über die mehr als ein Jahr laufenden Diskussionen in der DBK: „Dabei hatte man den Eindruck, dass nicht die mühevolle Suche nach einer verantwortbaren seelsorglichen Lösung für Einzelne ihr Interesse bestimmte, sondern die grundsätzliche Befürchtung, damit nicht mehr wahrhaft katholisch zu sein, und das Bestreben, darum auch jede nur geringfügige Veränderung abwehren zu müssen. Manche scheinen immer noch in einem vorkonziliaren Kirchenbild verhaftet zu sein und die katholischen Prinzipien des Ökumenismus wenig verinnerlicht zu haben.“

Roma locuta - causa finita?

Am 3. Mai waren die Kardinäle Marx und Woelki sowie die Bischöfe Genn, Wiesemann, Voderholzer und Feige in Rom zum Gespräch über diese Fragen und fuhren mit der Aufgabe nach Hause, „im Geist kirchlicher Gemeinschaft eine möglichst einmütige Regelung“ zu finden. In der Sache hielt sich Rom also zunächst zurück, war aber offenbar um die Einheit der Bischofskonferenz bemüht. Am 25. Mai schickte der Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, Erzbischof Luis Ladaria SJ, einen Brief hinterher, dass der Papst zu der Auffassung gekommen sei, dass die Handreichung in ihrer momentanen Fassung „nicht zur Veröffentlichung reif“ sei. Es handele sich um ein Thema, „das den Glauben der Kirche berührt und von weltkirchlicher Relevanz ist“. Außerdem habe diese Frage „Auswirkungen auf die ökumenischen Beziehungen zu anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die nicht zu unterschätzen sind“. Die zuständigen Dikasterien seien beauftragt, eine baldige Klärung dieser Fragen auf weltkirchlicher Ebene herbeizuführen. Das Urteil über das Vorliegen einer „drängenden schweren Notlage“ solle dem Diözesanbischof überlassen bleiben.

Warum?

Diese Bremse aus Rom hat viele Beobachter überrascht, widerspricht sie doch der Linie der Dezentralisierung und der Aufforderung zu weniger dogmatischen und mehr pastoralen Entscheidungen im Einzelfall, die Papst Franziskus bislang vielfach propagiert hatte. Über die Gründe dafür kann momentan nur spekuliert werden. Offenbar hat die Heftigkeit des Zerwürfnisses innerhalb der DBK in Rom Sorgen ausgelöst. Die Einheit der Bischofskonferenz war wohl dem Papst in diesem Fall wichtiger als das Ansinnen der ohnehin leidgeprüften konfessionsverbindenden Ehepartner. In dem Brief heißt es, dem Papst sei es „ein großes Anliegen, dass in der Deutschen Bischofskonferenz der Geist der bischöflichen Kollegialität lebendig bleibt“. Ein altes Sprichwort sagt: Der Klügere gibt nach. Auch wenn nun die konservativen Hardliner jubeln und sich bestätigt sehen – explizit abgelehnt hat Rom die Handreichung nicht, sondern lediglich an sich gezogen und damit gebremst. Die Befürchtung, dass sie dort – wie all die Jahrzehnte zuvor – auf Eis liegt, weil eine weltkirchliche Klärung nunmal schwieriger ist als lokale Einzelfallentscheidungen, ist leider nicht unbegründet. Man darf dennoch weiter gespannt sein, ob, wann und wie die Sache wieder Fahrt aufnimmt. Denn dass die Christen und die Mehrheit der Bischöfe in Deutschland sich nun zufrieden geben, ist nicht zu erwarten.

 


1 https://www.die-tagespost.de/kirche-aktuell/online/Spaltung-innerhalb-der-Deutschen-Bischofskonferenz;art4691,187499

2 Konfessionsverbindende Ehen und gemeinsame Teilnahme an der Eucharistie. Ein Zwischenruf zum Verständnis einer „Pastoralen Handreichung

3 https://www.die-tagespost.de/kirche-aktuell/online/Spaltung-innerhalb-der-Deutschen-Bischofskonferenz;art4691,187499

 

Nachtrag

Die Handreichung der Deutschen Bischofskonferenz ist inzwischen veröffentlicht und in einzelnen - nicht in allen - deutschen Bistümern in Kraft gesetzt. 

 

Dr. Harald Lamprecht

ist Beauftragter für Weltanschauungs- und Sektenfragen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und Geschäftsführer des Evangelischen Bundes Sachsen.

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Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 2/2018 ab Seite 18