Hilfe oder Mission?

Auseinandersetzung um die Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“ (2002)

Viele evangelische Gemeinden beteiligten sich an der Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“, bei der Schuhkartons mit Weihnachtsgeschenken an Kinder in Osteuropa, Afrika und Asien verteilt werden sollen. Allerdings ist auch Kritik an der Organisation und ihrem Konzept laut geworden.

Für dieses Jahr ist die Sammelphase vorbei, damit kommt jede Aufregung nun eigentlich zu spät. Dennoch erreicht die Auseinandersetzung um die Aktion jetzt erst ihren Höhepunkt. Idea Spektrum berichtete unter der Überschrift „In den Kirchen tobt der Kampf um Spenden“ in der Ausgabe vom 27. 11. 2002 darüber. Verschiedene Beauftragte für Weltanschauungsfragen auf evangelischer und katholischer Seite haben Stellungnahmen abgegeben, die z. T. gegensätzlich interpretiert werden.

Die Kritik kommt vor allem von den etablierten Hilfswerken (Gustav–Adolf–Werk und Diakonisches Werk), die u.a. auf Folgendes hinweisen:

  • Der Verein „Geschenke der Hoffnung“ verfügt zum gegenwärtigen Zeitpunkt* über kein Spendensiegel des DZI (Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen), das den korrekten Umgang mit Spendenmitteln überwacht.
     
  • Sachspenden sind aus entwicklungspolitischer Sicht nur unter sehr engen Voraussetzungen sinnvoll: Es muss sich um wirklich benötigte Artikel handeln, die zudem nicht im Empfängerland zu beschaffen oder herzustellen sind, um nicht die einheimische Wirtschaft zu schädigen und Abhängigkeiten statt Hilfe zu erzeugen.


Diese Kritik ist berechtigt. Zur Klärung scheint es notwendig, stärker zwischen Missionsinitiative und Hilfsaktion zu unterscheiden – so sehr beide Aspekte mitunter auch zusammen gehören. Dem Trägerverein „Geschenke der Hoffnung“ ist vorzuwerfen, dass er vielleicht zu sehr den Hilfscharakter für die Aktion hervorgehoben hat. Dieser ist aber nüchtern betrachtet vergleichsweise gering. Wirkliche Not lindert ein Schuhkarton mit Weihnachtsgeschenken nicht. Er kann Freude und Hoffnung schenken – das ist ein gutes und legitimes Anliegen, das auch gut zur Weihnachtsbotschaft passt. Insofern hat die Aktion durchaus ihre Berechtigung. Dass sich damit eine deutlich ausgesprochene missionarische Absicht verbindet, ist der Freude nicht hinderlich und aus christlicher Sicht auch nicht zu kritisieren. Aber die Aktion ist kein Ersatz für an entwicklungspolitischen Grundsätzen ausgerichtete langfristige Hilfsprojekte, wie sie die anderen Hilfsorganisationen betreiben. Deren Sorge, mit dem Versenden eines Schuhkartons sei das Engagement vieler für die Not in anderen Ländern erschöpft, ist nicht unbegründet. Das sollte aber nicht geschehen.

Harald Lamprecht


*Stand Dezember 2002. Im Mai 2003 wurde dem Verein "Geschenke der Hoffnung e.V." das DZI Prüfsiegel erteilt.

Artikel-URL: https://www.confessio.de/artikel/59