Im Namen Gottes?

Fundamentalismus in Christentum und Islam - Christlich-Islamischer Dialog in Dresden

Fundamentalismus ist ein Schlagwort. Es wird gebraucht, um radikale Strömungen zu kennzeichnen, die mit einer ideologischen Motivation intolerant, rechthaberisch und antimodernistisch auftreten und zur Durchsetzung ihrer Interessen auch vor der Anwendung von Gewalt nicht zurückschrecken.

Insbesondere der islamische Fundamentalismus ist seit den Attentaten vom 11. September 2001 immer wieder in das Zentrum öffentlicher Aufmerksamkeit gerückt. Dabei stammt der Begriff ursprünglich aus dem Christentum. Was es in beiden Religionen an fundamentalistischen Gruppierungen gibt, wie diese ihre religiösen Überlieferungen deuten und wie die Religionen mit ihren Fundamentalisten umgehen war das Thema einer Veranstaltung in der Reihe des interreligiösen Dialoges in Dresden, die vom Ökumenischen Informationszentrum, dem Haus der Kirche und dem islamischen Zentrum Dresden organisiert wird. In einer Abendveranstaltung im Haus der Kirche und in einem Tagesseminar im islamischen Zentrum diskutierten Christen und Muslime angeregt und z. T. auch konträr über diese Fragen. Ein christlicher und ein muslimischer Referent sollten jeweils die fundamentalistischen Strömungen in ihrer Religion vorstellen und für das Seminar Bibel- bzw. Korantexte aussuchen, die von Fundamentalisten zur Rechtfertigung ihrer Handlungen gebraucht werden. Weiterhin sollten sie andere Stellen vorstellen, die demgegenüber positiv das Grundverständnis der jeweiligen Religion ausdrücken.

Islamischer Referent war Dr. Murad Wilfried Hofmann, ehemaliger Botschafter der Bundesrepublik, der sich 1980 zum Islam bekehrte. Er ist Mitglied des Zentralrats der Muslime in Deutschland. Für die christliche Seite fiel dem Unterzeichner diese Aufgabe zu. Die Grundzüge der Referate werden in den beiden folgenden Artikeln skizziert.

Sowohl die Abendveranstaltung, als auch das Tagesseminar waren auch von Muslimen überdurchschnittlich gut besucht. Die Diskussionen zeigten, wie wichtig es ist, bei der Interpretation von religiösen Texten das Verständnis von Angehörigen der jeweiligen Religionen zur Kenntnis zu nehmen. So war es z.B. für unsere muslimischen Gesprächspartner schwer zu verstehen, dass das Schwert in Mt. 10,34 lediglich symbolisch zu verstehen sei und sich auf mitunter unvermeidliche Konflikte ernsten religiösen Lebens bezieht, während das Schwert in Mt. 26,52 ein reales Schwert meint, das in gewalttätiger Auseinandersetzung zum Einsatz gekommen ist.

Im Ergebnis der Veranstaltung ist wieder einmal deutlich geworden, wie wichtig das unmittelbare Gespräch zum gegenseitigen Verständnis ist. Das Ergebnis interreligiöser Dialoggespräche ist keinesfalls ein interreligiöser Einheitsbrei, wie dies von Gegnern des Dialoges gelegentlich befürchtet und behauptet wird. Im Gegenteil: die echten Differenzen in den jeweiligen Glaubensvorstellungen kommen im Gespräch sehr deutlich zur Geltung. Aber es ist eine unverzichtbare Aufgabe, Klischees und falsche Vorurteile zu überwinden, die ein gegenseitiges Verständnis verhindern. Wir brauchen das Gespräch über unsere verschiedenen Glaubensauffassungen. Dies ist aber nur in einer Atmosphpäre möglich, in der sich die Gesprächspartner gegenseitig ernst nehmen.

Dr. Harald Lamprecht

ist Beauftragter für Weltanschauungs- und Sektenfragen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und Geschäftsführer des Evangelischen Bundes Sachsen.

Artikel-URL: https://www.confessio.de/artikel/71

Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 5/2004 ab Seite 07