Buddha in Taucha

Zum Umgang mit fremdreligiösen Bewegungen
„Ommm: Riesen-Buddha kommt nach Taucha“ so titelte die Morgenpost am 13. 7. 2003 und kündigte an, dass das Städtchen Taucha im Nordwesten Leipzigs bald ein Mekka für Buddhisten aus ganz Europa werden würde. Dort soll nämlich nach den Vorstellungen eines vietnamesischen Restaurantbetreibers im Stadtpark ein Buddha-Tempel mit Europas größter Buddha-Statue (12m Höhe) entstehen. In einem zu errichtenden Tempel im Pagoden-Stil sollen 15-20 Mönche und Nonnen leben und in dem geplanten Gebetssaal sollen mehrere hundert Gläubige aller buddhistischen Richtungen Platz finden.

Die Stadtverordnetenversammlung in Taucha soll im Wesentlichen positiv zu diesem Projekt entschieden haben, locken doch Einnahmen durch angekündigte Touristenströme (500 000 Besucher pro Jahr) und verminderte Ausgaben, denn um die Pflege des bislang öffentlichen Grüns bräuchte sich die Stadt dann auch nicht mehr zu kümmern. Ca. 4 Mill. Euro Projektkosten sollen durch Spenden von Buddhisten aus aller Welt aufgebracht werden, so der Initiator des Projektes. 22000 m2 umfasst das Areal des Stadtparks, davon müssten 6000 m2 verkauft und weitere 16 000 m2 in Erbpacht gegeben werden.

Pro und Contra

Wie man sich leicht vorstellen kann, sind die Meinungen der Bürger zu diesem Projekt kontrovers. Es gibt Hoffnungen auf die belebende wirtschaftliche Kraft des Fremdenverkehrs in der ansonsten mit Sehenswürdigkeiten nicht besonders gesegneten Region. Eine halbe Million Besucher wollen auch beköstigt werden, und wenn es nicht nur Bettelmönche sind, dann kaufen sie auch das eine oder andere in der Stadt. Viele schöne Hoffnungen kann man an solch eine Vision knüpfen. Wenn dann noch das Argument der verbesserten Chancen zur Leipziger Olympiabewerbung durch neue Sympathien in Asien kommt, traut sich wohl kaum noch ein Kritiker zu Wort.

Diese gibt es aber auch. Sie befürchten eine kulturelle Überfremdung für das kleine Städtchen durch einen solch riesigen buddhistischen Kultort. Sie beklagen den Ausverkauf kommunaler Werte durch die Abgabe des Parkes aus städtischer Verantwortung. Und sie sehen eine religiöse Vereinnahmung der bislang öffentlichen Anlage durch die angekündigte Aufstellung buddhistischer Symbole und Kultstatuen im gesamten Gelände. Trotz aller Bereitschaft zur Begegnung und zum interreligiösen Dialog bleibt es für Christen sehr beschwerlich, wenn im Stadtpark fremde Götterstatuen von beachtlichen Dimensionen errichtet und angebetet werden sollen. Von daher kann nicht erwartet werden, dass sie ein solches Projekt tatkräftig unterstützen. Nach christlichem (und jüdischem wie auch islamischem) Verständnis ist die Anbetung falscher Götter ein schweres Vergehen von Menschen. Es stellt dabei durchaus noch einen Unterschied dar und ist naturgemäß leichter zu akzeptieren, wenn ein Buddhist privat in seinem Wohnzimmer vor einer Buddha-Statue meditiert, als wenn in solcher Weise ein Park zum öffentlichen Kultplatz umfunktioniert werden soll.

Unbefriedigend ist auch die vorwiegend finanzielle Begründung. Nach diesem Schema könnten - zugespitzt gesagt - nächste Woche z. B. die Scientologen den Leipziger Marktplatz kaufen wollen: Um Straßenpflaster und Beleuchtung müsste sich die Stadt nicht mehr kümmern, die Bürger dürfen den Platz weiter betreten, lediglich in der Mitte würde ein großer Info-Stand aufgebaut...

Angemessener Umgang?

Gleichwohl bleibt die Frage bestehen, welche Formen des Umgangs mit einem solchen Problem angemessen sind. Trotz einer klaren theologisch begründeten Ablehnung kann es nicht angehen, etwa durch Ausnutzen administrativer Machtmittel (Vergabeverfahren, Baugenehmigungen etc.) die Ansiedlung anderer Religionen zu hintertreiben. Wir leben (Gott sei Dank) in einem Land, in dem Religionsfreiheit herrscht. Das schließt auch die Freiheit anderer Religionen ein, sich Orte ihrer Gottesanbetung zu schaffen. Wenn wir im Blick auf muslimische Länder klagen, dass dort oft staatlicherseits der Bau von Kirchen behindert wird, sollten wir nicht im eigenen Land gleiches in Bezug auf andere Religionen praktizieren wollen. Die Frage nach der angemessenen Dimension darf dennoch gestellt werden. Natürlich dürfen sich Buddhisten Häuser und Grundstücke kaufen und dort Gottesdiensträume einrichten. Aber in Taucha gibt es (noch) fast keine Buddhisten.

Die Überlegenheit der wahren Religion zeigt sich nicht in ängstlicher Abwehr und Unterdrückung alles Fremden, sondern kann sich erst in der Begegnung erweisen. Ich bin davon überzeugt, dass der christliche Glaube die Begegnung mit dem Buddhismus aushalten kann. Letztlich ist aus christlicher Sicht der Irrtum eines Buddhisten, der in der Meditation oder Anrufung Buddhas sein Heil sucht, nicht schlimmer als der falsche Glaube derer, deren einziger Gott ihr Bauch ist und die sich ständig neue Kommerztempel zu seiner Anbetung errichten.

Keine Mission?

Immer wieder kann man im Zusammenhang mit der Eröffnung buddhistischer Zentren in Deutschland lesen, die Buddhisten würden nicht missionieren. Eine solche Aussage zeugt von einem sehr verengten Verständnis von Mission. Wenn darunter lediglich das Klingeln an fremden Haustüren gemeint ist, um den Bewohnern Gespräche über den Glauben aufzudrängen, dann stimmt die Aussage sicherlich, aber auch nur dann. In dem Moment, wenn Veranstaltungen für die Öffentlichkeit angeboten werden, verbindet sich damit unweigerlich auch eine missionarische Ausstrahlung. Warum, wenn dies nicht beabsichtigt ist, sollten sonst „Buddhisten aus aller Welt“ 4 Mill. Euro im Stadtpark einer Leipziger Vorstadt investieren? Einladende Präsenz ist missionarisch - da sollte sich niemand etwas vormachen lassen. Diese ist freilich weder verboten noch verwerflich, im Gegenteil: von Kirchgemeinden wünschte man sich mitunter mehr einladende Präsenz. Bereits an diesem Punkt kann man sehen, dass die Begegnung mit fremden Religionsformen durchaus auch auf Defizite der eigenen Praxis hinweisen und Anregungen für die Verbesserung des eigenen Glaubenslebens zu vermitteln vermag. Schon allein das unerschrockene Vertreten der eigenen Überzeugungen, auch wenn diese nicht den Lebensweisen und -auffassungen der gesellschaftlichen Mehrheit entsprechen, kann man von buddhistischen Mönchen lernen. Solches hat nämlich an sich eine missionarische Ausstrahlung.

Bibelkurse für Buddhisten

Wenn es denn dazu kommen sollte, dass tatsächlich monatlich hunderte Buddhisten durch den Tauchaer Stadtpark strömen und die Umgebung bevölkern, dann stellt das natürlich eine Herausforderung für die christliche Gemeinde dar.

Informationsbedarf besteht für beide Seiten. Christen möchten mehr über den Buddhismus erfahren, seine bunte Vielfalt und seine Glaubensinhalte. Aber auch Buddhisten haben ein Recht darauf, etwas vom Christentum zu erfahren. Idealerweise könnte sich daraus eine intensivere Begegnung ergeben, von der beide Seiten lernen: dass Buddhisten christliches Leben und christliche Überzeugungen kennenlernen, dass sie etwas von der Freiheit christlichen Lebens spüren können und dass vielleicht der eine oder andere auch einen positiven Eindruck davon mit in seine Heimat nehmen kann.

Auf der anderen Seite könnten auch Christen von Buddhisten lernen, auf Fragen und Sehnsüchte moderner Menschen nach spiritueller Erfahrung besser einzugehen und die geistliche Kraft von Ruhe und Ritualen neu schätzen zu lernen.

Damit solches gelingen kann, muss man sich konstruktiv auf die Situation einstellen, z. B. mit Bibelkursen für Buddhisten als Ausgleichsangebot zu den unvermeidlichen Informationsvorträgen über Buddhismus für Christen.

Damit sollte aber die Tauchaer Gemeinde nicht allein gelassen werden. Wenn es dazu kommt, ist dies eine Aufgabe für die ganze Region. Sich auf das Gespräch mit Menschen anderer Glaubensüberzeugungen in unserer Umgebung vorzubereiten, ist auch andernorts kein Schaden.

Harald Lamprecht

Artikel-URL: https://www.confessio.de/artikel/77

Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 4/2003 ab Seite 07