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Kirche & Politik: Ehe, Familie und Gleichberechtigung

Fragen und Antworten zur Familienpolitik & Kirche

Wie engagiert sich die evangelische Kirche für den Schutz von Ehe und Familie?

Die Unterstützung des Zusammenlebens in Ehe und Familie spielt in der kirchlichen Praxis eine große Rolle. „Die evangelischen Kirchen unterstützen Menschen, die in Ehe und Familie zusammenleben, weil die eheliche Gemeinschaft Gottes Gebot entspricht und unter seiner Verheißung steht. Deshalb wird auch im Gottesdienst für die Eheleute gebetet und ihnen Gottes Segen zugesprochen.“2

Viele Veranstaltungen in den Kirchgemeinden richten sich an Familien, es gibt Familiengottesdienste und -rüstzeiten, in Gemeindekreisen können sich junge Eltern austauschen, Angebote der Frauen- und Männerarbeit bemühen sich, das partnerschaftliche Zusammenleben zu unterstützen u.v.a.m.

Wie ist die heutige Sicht auf Ehe und Familie?

Für Martin Luther ist die Ehe zunächst ein „weltlich Ding“. Sie gehört wie vieles andere zum Bereich der Schöpfung. Als gegenseitiges Versprechen der Eheleute, in guten und schweren Tagen einander beistehen zu wollen, steht sie unter Gottes Segen. Im Lauf der Geschichte hatte die Ehe sehr unterschiedliche Funktionen, die nicht notwendig mit gegenseitiger Liebe und Zuneigung verkoppelt waren: existenzielle Absicherung, herrschafts- und machtpolitische Faktoren bei regierenden Adligen, sozialer und wirtschaftlicher Aufstieg u.v.a.m.

Heute ist die Ehebeziehung von vielen dieser Zwänge befreit. Männer und Frauen sind rechtlich gleichgestellt. Eine einseitig romantisch verklärte Sicht kann die Beziehung überfordern, weil emotionale Hochstimmung nicht zu konservieren ist. Krisen und Konflikte sind in jeder Beziehung unvermeidlich. Für die christliche Ethik haben sich die Elemente der Verlässlichkeit, Treue und gegenseitigen Übernahme von Verantwortung als konstitutiv herauskristallisiert. 

Welche Stellungnahmen gibt es in der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens zur „Ehe für Alle“?

In den Leitlinien des kirchlichen Lebens der VELKD heißt es: „In der evangelisch-lutherischen Kirche bleibt die Ehe das Leitbild für das Zusammenleben von Mann und Frau. Leitbilder sollen orientieren. In ihrer Verkündigung, im Unterricht und in der Seelsorge will die Kirche zur Bejahung dieses Leitbildes hinführen, ohne dadurch andere Formen der Lebensgestaltung zu diskriminieren. So steht die Hochschätzung von Ehe und Familie im Vordergrund, solange sie auf Dauer, Verlässlichkeit und gegenseitiger Achtung beruht.“3

In der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens wurde über etliche Jahre mit hohem Engagement und großer Ernsthaftigkeit ein theologischer Gesprächsprozess zum Schriftverständnis geführt, der die unterschiedlichen Sichtweisen zur biblischen Sicht auf Homosexualität thematisiert hat. Die Dokumente und Ergebnisse sind auf Internetseite der Landeskirche dokumentiert.4

Ist damit die Diskussion beendet?

Es ist viel gegenseitiges Verständnis gewachsen. Dennoch gibt es unterschiedliche Positionen und Auffassungen.

Es entspricht nicht der Wahrhaftigkeit und dem Geist christlichen Umgangs, wenn dieser Prozess und die dort vorgebrachten Argumente und Ergebnisse ignoriert und der jeweils anderen Position pauschal Untreue zum biblischen Zeugnis vorgeworfen werden. Wo solche Fragen der persönlichen Lebensführung in politischen Kampagnen verzweckt werden, um Spaltungen in Gemeinden zu bringen, geraten die betroffenen Menschen aus dem Blick. 

Sind Männer und Frauen in der evangelischen Kirche gleichberechtigt?

Ja. Alle Ämter und Funktionen innerhalb der Kirche stehen Männern und Frauen im Grundsatz gleichermaßen offen. Das bedeutet nicht, dass die Umsetzung davon überall perfekt wäre. Aber es gibt an vielen Stellen das Bemühen um Verhältnisse, in denen jeder Mensch seinen Begabungen und Interessen gemäß seinen Platz in der Kirche finden kann.

Welche Rolle spielt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf?

Für eine zukunftsfähige Familienpolitik sollte darauf geachtet werden, dass Familie und Berufsleben nicht als Gegensatz erlebt werden, sondern möglichst gut miteinander vereinbar sind. Die starre Rollenteilung des vorindustriellen Zeitalters – der Mann arbeitet auf dem Feld, die Frau versorgt Haus und Kinder – ist für die moderne Gegenwart keine zwingende Vorgabe mehr und auch nicht für alle attraktiv.

Junge Frauen sind heute gut ausgebildet und in vielen Wirtschaftszweigen begehrt. Wenn der Wunsch nach Kindern nicht die Entscheidung gegen den Beruf sein muss, ist das gut für die Familien. Die Beziehung zu den Kindern und der Kinder zu ihren Eltern gewinnt, wenn beide Ehepartner für die Erziehung Verantwortung übernehmen. Wenn Arbeitszeiten, Aufgabenteilung und Betreuungsmöglichkeiten Familie und Beruf vereinbar halten, hilft das für langfristige Lebenszufriedenheit und stabile Partnerschaften. 

Was meint „Gender Mainstreaming“

Der Begriff meint den Einsatz für mehr Gerechtigkeit zwischen Männern und Frauen auf allen Ebenen. 

Weil die englischen Begriffe unbekannt sind, werden sie oft falsch gedeutet und von den Gegnern des Prozesses mit unwahren Bedeutungen überhäuft und mit Übertreibungen diskreditiert. Zentral ist die Unterscheidung zwischen biologischem Geschlecht (englisch: „sex“) und sozialen Rollen („gender“). Diese sprachliche Unterscheidung der englischen Begriffe lässt sich im Deutschen nicht direkt wiedergeben, weil für beide englische Begriffe nur das eine deutsche Wort existiert.

Gender Mainstreaming hat zwei (teilweise gegenläufige) Dimensionen: 

1. Die Beseitigung von Benachteiligungen aufgrund biologischer Unterschiede

2. Die Überwindung ungerechtfertigter Rollenklischees.

Beides sind aus christlicher Sicht legitime Anliegen. Männer und Frauen sind zwar von der Schöpfung her unterschiedlich geschaffen, aber in beiden spiegelt sich gleichermaßen das Bild Gottes. Zugleich gilt auch, dass jeder Mensch entsprechend der Gaben leben können soll, die er von Gott erhalten hat. Daran sollen ihn nicht starre Rollenbilder hindern. Der Begriff „Mainstreaming“ meint, solche Überlegungen zu mehr Gerechtigkeit in den Hauptstrom des Denkens zu bringen.

Will Gender Mainstreaming die Auflösung der Geschlechter?

Es gibt im akademischen Bereich mitunter radikale Interpretationen konstruktivistischer Kulturtheorien. In ihrer Extremform betrachten sie auch das biologische Geschlecht als soziale Konstruktion. Das ist Unsinn. Im Grunde leugnen auch diese Positionen die Unterscheidung von „gender“ und „sex“, nur hier zu Lasten von „sex“, indem sie meinen, alles sei „gender“, während ihre Gegner alles auf die Biologie („sex“) und kaum etwas auf die sozialen Rollen („gender“) geben.  

In der politischen Wirklichkeit des Gender Mainstreaming geht es nicht um die Beseitigung der Geschlechter, sondern um die Auflösung ungerechtfertigter Zuschreibungen in bestimmte Rollen. Auch Männer können gute Kindergärtner sein, auch Frauen z.B. Pfarrerin.

Gibt es offizielle kirchliche Positionsbestimmungen zum Gender Mainstreaming?

Angemessen ist eine sachgerechte Unterscheidung und Berücksichtigung beider Bereiche, der biologischen Unterschiede und der sozialen Rollen.

Der Lutherische Weltbund hat ein Programm für mehr Gerechtigkeit zwischen Männern und Frauen entwickelt. In den Texten ist auch von „Gendergerechtigkeit“ die Rede. Wer diese Texte liest, kann selbst feststellen: Es geht weder um Sexualität noch um Auflösung der biologischen Geschlechter, sondern um Gerechtigkeit zwischen den Geschöpfen Gottes. Das ist ein Anliegen, das alle Christen bewegt. Darum hat die Kirchenleitung der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens einen Maßnahmenplan zur Verbesserung dieser Situation beschlossen.

Ergänzende Texte zu diesem Themenfeld:

 


Anmerkungen

2 VELKD, Leitlinien kirchlichen Lebens, S. 66.

3 VELKD, Leitlinien des kirchlichen Lebens, S. 70.

4 engagiert.evlks.de/landeskirche/themen-und-debatten/gespraechsprozess-zum-schrift-und-kirchenverstaendnis/

Dr. Harald Lamprecht

ist Beauftragter für Weltanschauungs- und Sektenfragen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und Geschäftsführer des Evangelischen Bundes Sachsen.

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