EGMR: Plakatverbot bei Rael rechtens

Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Wie weit reicht die Meinungsfreiheit für obskure Organisationen? Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat der Stadt Neuenburg Recht gegeben, welche Plakate der Ufo-Gruppe Rael verboten hatte. Auf den Plakaten waren Außerirdische, fliegende Untertassen und die Internetadresse der Gruppe angegeben. Daran hatten die Behörden Anstoß genommen und die Plakate verboten, weil auf der Webseite für die undemokratische „Geniokratie“, eine Weltregierung der Genies über den Rest der Menschheit und für das verbotene Klonen von Menschen geworben werde. Zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Moral dürfe der Staat solche öffentlichen Plakataktionen nicht zulassen.

Das Schweizer Bundesgericht hatte bereits 2005 bestätigt, dass das öffentliche Interesse an der Nichtverbreitung dieser Ideen die Beschränkung der Meinungsfreiheit rechtfertige. Dies wurde nun auch vom Europäischen Gerichtshof so gesehen. Dabei fiel die Entscheidung mit neun gegen acht Stimmen denkbar knapp. Einfach ist der Fall keineswegs, wenn eine nicht verbotene Organisation eine nicht verbotene Homepage betreibt, aber dafür nicht werben darf.

Die Entscheidung hat zwischen politischen Plakatkampagnen und anderen, bei denen es um sittliche, religiöse oder wirtschaftliche Interessen gehe. Bei politischen Kampagnen liegen die Hürden für staatliche Verbote deutlich höher. Hier hat haben die Richter aber eine vorwiegend kommerzielle Tätigkeit gesehen, weil es um Mitgliederwerbung gegangen sei. Dort ist der Spielraum zur Einschränkung der Meinungsfreiheit größer, wenn dies durch ein „überwiegendes gesellschaftliches Interesse“ gerechtwertigt ist.

Die Rael-Bewegung wurde 1976 von Claude Vorilhon gegründet und vertritt eine science-fiction-artige Kosmologie, in der dem Klonen eine zentrale Rolle zukommt. Behauptungen der zur Bewegung gehörigen Firma Clonaid im Jahr 2002 erfolgreich den ersten Menschen geklont zu haben, werden von Wissenschaftlern bezweifelt.

Neue Zürcher Zeitung, 14. 7. 2012

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Autor
HL
Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 3/2012 ab Seite 02