Herausforderung von Rechts

Die Aufgabe der Kirchen in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus

Die Kommunalwahlen in Sachsen haben in manchen Landkreisen wieder erschreckend hohe Erfolge für die NPD gezeigt. Dies zeigt, dass es den demokratisch gesinnten Bürgern und Parteien in der Vergangenheit nicht gelungen ist, die Gefahren für die gesamte Gesellschaft, die vom rechten Rand ausgehen, wirklich deutlich zu machen. Der Appell an die Erinnerung, der Verweis auf die Schrecken des Naziregimes läuft offenbar weithin ins Leere. Die Propaganda der rechten Bewegungen knüpft an aktuelle Unzufriedenheiten an. Sie bedient das Gefühl, zu kurz gekommen zu sein und präsentiert einfache, aber falsche Lösungen. Die öffentlichen politischen Aktivitäten sind dabei nur die eine Seite der Medallie. Unter der Oberfläche gibt es Verbindungen zu harten Schlägertruppen und Kameradschaften. Gerahmt und zum Teil auch getrieben werden die Aktivitäten von einer nur kaum verdeckten neuheidnischen Ideologie. Mit diesen Problemen befasste sich der nunmehr dritte Praxistag gegen Rechtsextremismus in der Evangelischen Akademie Meißen.

Christen im Visier

„Wir sind schon im Visier“ war der Titel des ersten Beitrages, in dem die Mitarbeiter des Kulturbüros Sachsen darlegten, wie stark Christen im Feindbild der extremen Rechten integriert sind. In Werder (Brandenburg) kam es im Mai zu einem Anschlag auf eine Kirche, bei dem Altarraum und Bibel mit SS-Runen verunstaltet wurden. In Colditz waren 45 Rechtsextreme zu einem Friedensgebet in der Kirche gekommen, um am Ausgang ihre Transparente zu entrollen. In den Kommentaren zu dem dabei gedrehten Handy-Video auf Youtube heißt es: „Welch Heuchler! Mit Gott gehen heißt rechts stehen! Möge Gott das verblendete Demokratengesindel strafen, so wie der multikulturelle Teufel aufrechte Patrioten Tag für Tag straft! Christus, errette das deutsche Volk aus seinem Holocaustwahn!“ Wird hier noch der Versuch unternommen, Christus für eine antidemokratische und fremdenfeindliche Position zu instrumentalisieren, so ist die Mehrheit der rechten Szene von einer grundsätzlichen Christentumsfeindschaft geprägt. Dies zeigt sich nicht nur in bestimmter Symbolik wie etwa dem Adler, der den christlichen Fisch schlägt (vgl. Confessio 5/2007, 15) und Sprüchen wie „Odin statt Jesus“, sondern zunehmend in offenem Bekenntnis zum „heidnisch-religiösen Erbe“. Die Minderheit der „AG Christen in der NPD“ hat den Deutungskampf innerhalb der NPD längst verloren und selbst bei ihnen wird Jesus wie einst bei den Deutschen Christen gern zum Arier umgedeutet, der das Christentum aus der jüdischen Umklammerung befreit habe.

Beispiel Artgemeinschaft

Deutlich wird die heidnisch-germanische Unterfütterung rechter Ideologie z.B. bei dem kürzlich in den NPD-Bundesvorstand gewählten Rechtsanwalt Jürgen Rieger. Rieger ist Gründer der „Artgemeinschaft“ und Herausgeber der „Nordischen Zeitung“ (www.artglaube.de). Dort wird nicht nur energisch gegen das Christentum zu Felde gezogen, sondern auch ein kaum verholener Rassismus gepredigt. In Punkt 3 vom „Artbekenntnis“ heißt es: „Wir bekennen uns zur Erhaltung und Förderung unserer Menschenart als höchstem Lebensziel, denn auch sie ist eine Offenbarung des Göttlichen.“ Auch das „Sittengesetz unserer Art“, das zweite Grundlagendokument der Artgemeinschaft, macht die entsprechende Rassenideologie verpflichtend.: „Das Sittengesetz in uns gebietet gleichgeartete Gattenwahl, die Gewähr für gleichgeartete Kinder.“

Begriffstausch

Auch rechte Ideologen haben bemerkt, dass manche Begriffe negative Assoziationen auslösen. Also werden sie ausgetauscht. Anstelle vom Rassismus spricht man neuerdings von einem „Ethnopluralismus“, den man befürworte. Das meint zwar dasselbe, klingt aber ganz anders. Die Vielfalt der Völker müsse erhalten werden, folglich dürfen sich keine Rassen mischen. Man spricht von „biokulturell“ und meint angeblich biologisch festgelegte Kulturformen für bestimmte Völker. In diesem Sinn gilt dann auch das Heidentum als der dem deutschen Volke arteigene Glaube. Da sollte es durchaus hellhörig werden lassen, dass die Religion im Parteiprogramm der NPD mit zu den Merkmalen der kulturellen Eigenart eines „Volkes“ gehört, gegen deren Zerstörung durch „multikulturelle, imperialistische und gleichmacherische Kräfte“ man sich wehren will. Das Christentum taucht in Riegers Nordischer Zeitung unter der Rubrik „Neues vom alten Feind“ auf. Auch der Rassismus steht bei der NPD zwar etwas verklausuliert, aber dennoch für jeden sichtbar im Parteiprogramm: „Die Familie ist Träger des biologischen Erbes. Ein Volk, das tatenlos zu sieht, wie die Familie zerstört wird oder ihre Kraft verliert, wird untergehen, weil es ohne gesunde Familien kein gesundes Volk gibt.“[1]

Anhängermilieus

In Bezug auf den Rechtsradikalismus gibt es eine Reihe folgenschwere Irrtümer.

Der erste bestand darin, zu meinen, das Problem werde sich von selbst erübrigen. Das Gegenteil ist der Fall. Die NPD ist über demokratische Wahlen in etlichen Parlamenten vertreten und es ist zu befürchten, dass sich dies noch verstärkt.

Ein zweiter Irrtum wäre zu meinen, Rechtradikalismus sei ausschließlich ein Problem der Jugend. Sicher - die Schlägertrupps sind nicht selten perspektivlose Jugendliche. Dazu gehören aber oft auch deren Eltern und Großeltern, die zu Hause auf dem Sofa sitzen und Beifall klatschen.

Ein dritter Irrtum ist die Meinung, nur die extremen Weltbilder wären gefährlich. Rechtsradikalismus verlagert sich derzeit und wandert vom Rand stärker in die Mitte der Gesellschaft.

Besetzte Themen

Rechtsradikale versuchen zunehmend Themen mit gesellschaftlicher Relevanz zu besetzen, die Anknüpfungspunkte zu ihren Kernthemen bieten oder einfach öffentliche Aufmerksamkeit erzeugen können. So gibt es eine dezidierte Globalisierungs- und Kapitalismuskritik, die auf den ersten Blick eine verblüffende Ähnlichkeit zu linken Positionen aufweist. Lautstark wird für eine harte Bestrafung von Sexualstraftätern eingetreten. Offenbar ist das ein Thema, mit dem man gut punkten kann, denn auf vielen Webseiten ist dies Thema und die Versandhändler haben bereits entsprechende Anstecker und Schilder im Sortiment.

Die demokratischen Parteien werden absolut kritisiert und für alle Probleme der Gegenwart verantwortlich gemacht. Rechte Parteien reden dafür von Heimat und Traditionspflege.

Kerngebiete rechter Argumentation - und auf diesen ist energischer Widerspruch zwingend nötig - sind aber die Fremdenfeindlichkeit und der Antisemitismus. „Grenzen dicht“ steht auf NPD-Wahlplakaten, als ob das helfen könnte, und gegen Israel gibt es immer wieder die seltsamsten Ausfälle.

Aufgabe der Kirchen

Die Kirchen sind in dieser Situation aus verschiedenen Gründen besonders gefordert.

In gesellschaftlicher Hinsicht haben sie eine besondere Verantwortung, denn sie sind mit Abstand die größte Organisation, die auch in der Fläche eine Verbindung zu den Menschen hat. Keine Partei, keine Initiative, kein Sportverein erreicht regelmäßig so viele Bürger. Dass die NPD die Demokratie benutzen will, um sie abzuschaffen, darf die Gesellschaft und mit ihr die Kirche nicht tatenlos mit ansehen.

Die Kirchen sind ferner zum Handeln herausgefordert, weil sie selbst angegriffen werden. Die rechtsradikale Ideologie bedroht nicht nur die Demokratie, sondern auch explizit das Christentum. Immer öfter zeigt sich bei Anschlägen auf Kirchen ein rechtsextremer Hintergrund.

Noch entscheidender ist aber, dass Christen von ihrem Bekenntnis her aufgerufen sind, gegen rechte Ideologien deutlich Stellung zu beziehen, wo immer sie ihnen im Alltag begegnen. Die Tatsache, dass Jesus Jude war, ist Bekenntnisgrund und nicht verhandelbar. Ebenso gehört zum christlichen Grundbekenntnis, dass der Fremde geschützt werden muss. Darauf wies Dr. Staffa von der Aktion Sühnezeichen in Meißen eindrücklich hin. Die von Jesus gepredigte Nächstenliebe macht gerade nicht an der Grenze des eigenen Volkes halt, sondern überwindet nationale und ethnische Grenzen. Das Evangelium verbindet Juden und Griechen und damit alle Völker. Gegenüber rechten Ab- und Ausgrenzungstendenzen gilt es aktiv dafür zu werben, dass andere Kulturen eine Bereicherung des Lebens darstellen können. Dies geschieht am besten durch Begegnungen. Ein Mensch, dessen persönliches Schicksal ich kenne, ist kein anonymer „Ausländer“ mehr.

Harald Lamprecht

Artikel-URL: https://www.confessio.de/artikel/196

Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 3/2008 ab Seite 09