Christlicher Zionismus bei amerikanischer Botschaftseröffnung in Jerusalem

Evangelikale Prediger beeinflussen US-Präsidenten
Luftbild vom Tempelberg mit Moschee
Tempelberg in Jerusalem mit Al-Aksa-Moschee und Altstadt von Jerusalem

In den USA leben mehr Juden, als in Israel. Nun ist es möglich, dass sie auch Einfluss auf die amerikanische Politik nehmen. Waren sie es, die Präsident Trump bewegten, die Botschaft der USA von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen? Das ist nicht der Fall, wie die österreichische Zeitung „Der Standard“ in ihrer Ausgabe vom 16. Mai 2018 berichtete. Nach einer Umfrage waren amerikanische Juden mit 86-Prozent-Mehrheit dagegen, die diplomatische Vetretung jetzt nach Jerusalem zu verlegen. Treibende Kraft der provokanten Symbolpolitik seien vielmehr evangelikale Kräfte. Rund 80 Prozent der weißen evangelikalen Wähler hatten im November 2016 für Präsident Trump gestimmt. John C. Hagee, Prediger der protestantischen Megakirche „Cornerstone Church“ im texanischen San Antonio, war in Jerusalem dabei, um der Botschaft Gottes Segen zu - und dabei Präsident Trump seine Verehrung auszusprechen.

Hagee war schon Ende der Neunziger Jahre mit bizarren Interpretationen zum Holocaust aufgefallen: Diesen habe Gott geschehen lassen, „weil Gott sagte, es ist meine höchste Priorität für das jüdische Volk, dass es heimkehrt in das Land Isarel“. Hitler wird damit zum göttlichen Erfüllungshelfer. Die Zeitung verweist auch auf die Theologie des Baptistenpastors Robert Jeffress, der ebenfalls bei der Botschaftseröffnungszeremonie in Jerusalem dabei war. Dieser erwarte die Wiederkunft Christi, wenn alle Juden nach Israel zurückkehren. Dann werde der Messias erscheinen und der christliche Glaube thriumphieren, und wer ihn nicht annehme, möge im ewigen Fegefeuer verbrennen. Auch als Jude könne man nicht gerettet werden, sofern man sich nicht bekehren lasse. 

Christlicher Zionismus evangelikaler Prägung sollte nicht voreilig mit Anerkennung und Freundschaft zum Judentum verwechselt werden, selbst wenn deren bedingungslose Verherrlichung nationalstaatlicher Politik in Israel diesen Eindruck erwecken könnte. Für das jüdische Volk bringt eine Verschärfung des Nahostkonfliktes keinen Segen. Es sind verquere christlich-apokalyptische Vorstellungen, die hier als treibende Kraft erkennbar sind. Weil sie ohnehin in naher Zukunft den großen apokalyptischen Crash erwarten und herbeisehnen, haben Friedensbemühungen dort keine Priorität. Die Folgen solch falscher Theologie können für die ganze Welt verheerend sein.

 

Der Standard, 16.05.2018, S. 3

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Autor
HL
Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 2/2018 ab Seite