Reden mit Gott

Christlich-Islamischer Dialog zum Thema "Gebet"

Können Christen und Muslime gemeinsam beten? Über diese Frage wurde beim Christlich-Islamischen Dialog in Dresden intensiv debattiert. Nach einem Vortragsabend im Haus der Kirche fand ein Tagesseminar zum gleichen Thema im Islamischen Zentrum Dresden statt. Für die islamische Seite erläuterte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Dr. Nadeem Elyas, als Referent den Stellenwert des rituellen Pflichtgebetes zwischen anderen Gebetsformen: Das fünfmalige rituelle Gebet gehört zu den Erkennungszeichen des Muslim-Seins. Es kann auch einzeln verrichtet werden, ist aber in seiner Struktur auf Gemeinschaft angelegt. Zwischen den festgelegten Teilen von Anrufungen Gottes und Verbeugungen sind auch individuelle still formulierte Gebete möglich. Quelle dieser Vorschriften ist nicht allein der Koran, wo lediglich allgemein das Gebet gefordert wird, sondern ebenso die Sunna (Tradition), in der genauere Festlegungen der Details erfolgten.

Über das christliche Gebet referierte der Leiter des Hauses der Stille in Grumbach, Pfr. Heiner Bludau. Christliche Spiritualität kennt vielfältige Formen, die meist weniger von festen Regeln geprägt sind, sondern stärker praktische Umsetzung von Glaubensüberzeugungen darstellen. So finden sich in der Bibel auch wenig konkrete Anweisungen für das Gebet, im Gegenteil: es gibt deutliche Vorbehalte gegen stark geprägte Formen. Jesus ist dreifach für das Gebet der Christen bedeutsam:

1. Als Vorbild hat er selbst sich oft zum Gebet zurückgezogen und in Gezemane eindrücklich seiner eigenen Befindlichkeit und dem Handeln Gottes im Gebet Raum gegeben.

2. Als Lehrer des Gebetes hat er nicht nur das Vaterunser übermittelt, sondern zu einem nachdrücklichen Bittgebet aufgefordert (Gleichnisse vom bittenden Freund und vom ungerechten Richter).

3. Als Fürbittender bittet Jesus u.a. für Petrus, „dass dein Glaube nicht aufhöre.“

Zu wem beten wir?

Im Gruppengespräch über Gebetstexte aus beiden Religionen konnten die Einsichten vertieft werden. Sure 1 und Psalm 23, das Vaterunser und Sure 112 sowie zwei freie Gebete waren ausgewählt worden. Auffällig war, dass Psalm 23 oder die erste Sure in ihren inhaltlichen Aussagen durchaus auch von Vertretern der jeweils anderen Religion nachgesprochen werden könnten, vorausgesetzt der Adressat des Gebetes („Herr“ bzw. „Allah“) würde durch die jeweils eigene Gottesvorstellung ersetzt.

Diese Beobachtung führte genau zum Kern der Diskussion des Nachmittages: Die Frage, ob Christen und Muslime gemeinsam beten können, entscheidet sich an der Gottesfrage. Zu wem beten wir, wenn wir beten? Wen meinen wir, wenn wir „Gott“ sagen? Für Christen ist bei der Rede von Gott immer - auch wenn dies nicht ausdrücklich erwähnt wird - der trinitarische Gott gemeint. Bei Muslimen hingegen soll dies gerade ausgeschlossen sein. Da die Vorstellungen von Gott trotz anderer Gemeinsamkeiten an dieser Stelle auseinander gehen, ist ein gemeinsames Gebet mit theologischen Problemen behaftet.

Nebeneinander, nicht miteinander

Die Mehrzahl der Teilnehmer auf christlicher wie auf muslimischer Seite war darum auch der Meinung, dass man wohl nebeneinander, aber nicht direkt miteinander beten könne. Wenn Muslime und Christen gemeinsam im gleichen Raum, aber nacheinander jeweils ihre eigenen Gebete sprechen, können die Gemeinsamkeiten aus den Gebetsanliegen und der Gebetssprache gehört werden. Wenn aber gemeinsam formulierte Gebete gesprochen werden sollen, könnte dies nur auf der Ebene des kleinsten gemeinsamen Nenners geschehen, was immer auch Abstriche an eigenen Glaubensvorstellungen mit sich brächte. Dennoch würde jeder dann jeweils seine Interpretation in den gleichen Text hinein deuten. Dies suggeriert nach außen ein Maß an Einheit, das faktisch nicht vorhanden ist. Eine solche Praxis wäre folglich ebenso theologisch bedenklich wie unehrlich. Pfr. Bludau formulierte die nachdenkenswerte Aussage: „Im Anerkennen der Andersartigkeit des Anderen kann mehr Ruhe und Frieden liegen, als in einem kompromissbeladenen Gebet auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner.“ Gemeinsames Gebet - geografisch ja, theologisch nein, ließe sich das Ergebnis der Diskussion zusammenfassen. Damit sind gemeinsame Auftritte von Vertretern verschiedener Religionen zum Ausdruck gemeinsamer gesellschaftlicher Anliegen zu besonderen Anlässen wie z.B. am Gedenktag des 11. September nicht ausgeschlossen, sondern ermöglicht. Denn wenn die Regeln klar sind, muss keiner befürchten, vom Anderen vereinnahmt zu werden.

Rückblickend war an dieser Runde des Christlich-Islamischen Dialoges besonders wertvoll:

  • Dr. Nadeem Elyas zu erleben, der durch klaren Verstand und eine ruhige, sachliche, treffsichere und nie polemische Argumentation Sympathien gewinnen konnte. Es war z.B. erstaunlich, wie klar er anderen Muslimen nicht nur die Diskussionsergebnisse zusammenfassen, sondern auch die christliche Trinitätsauffassung erklären konnte.
  • die große Breite der Positionen der Teilnehmer, von liberal bis strenggläubig auf christlicher wie auf muslimischer Seite, was den Diskussionen mitunter Spannung, aber auch Gehalt verlieh.

„Die Diskussionen sind härter und ehrlicher geworden“ meinte Mitorganisator Dr. Jürgen Küfner vom Haus der Kirche im Vergleich zu früheren Tagesseminaren. Angesichts der politischen Entwicklungen wird in Zukunft das Gespräch miteinander wohl noch wichtiger werden. Es ist gut, dass wir in Dresden schon auf dem Weg sind.

Dr. Harald Lamprecht

ist Beauftragter für Weltanschauungs- und Sektenfragen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und Geschäftsführer des Evangelischen Bundes Sachsen.

Artikel-URL: https://www.confessio.de/artikel/136

Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 5/2005 ab Seite 13