Welche Religion hat die Wahrheit?

Grundgedanken zu einer Theologie der Religionen
Die Welt wird kleiner. Mit diesem Satz wird oft das Zusammenwachsen der Kulturen in einer globalen Entwicklung auf den Punkt gebracht. Dies führt auch dazu, dass die Frage nach dem Wahrheitsanspruch der verschiedenen Weltreligionen immer seltener nur rein theoretisch gestellt wird. Begegnungen mit Menschen anderen Glaubens werden immer selbstverständlicher - sei es im Urlaub oder auf Arbeit oder als Nachbar. Konnte in früheren Jahrhunderten die Auseinandersetzung durch relativ deutliche regionale Trennung der verschiedenen Kulturkreise für die Masse der Bevölkerung noch eher unwichtig erscheinen, so gilt dies in der Gegenwart nicht mehr. In Zeiten der Globalisierung, der Vernetzung und Migration fallen alte Grenzen weg.

Zugleich kann man aber eine Aufladung religiöser Differenzen zu politischen Gegensätzen beobachten. Der „Kampf der Kulturen“ ist ein Schlagwort geworden, das Ängste schürt und sich dabei alter und neuer Vorurteile bedient.

Eine Verständigung unter den Angehörigen der verschiedenen Religionen erscheint darum als eine dringende Aufgabe der Gegenwart. Die Theologie ist dabei gefordert, das Verhältnis der verschiedenen Wahrheitsansprüche der Religionen zueinander angemessen zu beschreiben. Einfacher gesagt: Es gilt die Frage zu beantworten: Wer hat recht, und was folgt daraus?

Ökumene der Religionen?

Gelegentlich findet man in der Praxis den Begriff der Ökumene ausgedehnt auf das Verhältnis zwischen den Weltreligionen. Dies ist unpassend und sachlich nicht angemessen. Zwar gibt es zwischen den verschiedenen Richtungen innerhalb einer Religion auch nicht selten heftige Streitigkeiten über bestimmte Aspekte der Religionsausübung (z.B. zwischen Schiiten und Sunniten im Islam oder zwischen Katholiken und Protestanten im Christentum). Dennoch weiß man sich in den wesentlichen Grundaussagen der Religion einig. Diese Einigkeit begründet eine Verbindung untereinander, die gegenüber anderen Religionen so nicht besteht. Innerhalb der christlichen Ökumene bemüht man sich um ein vertieftes Verstehen der biblischen Wahrheit und akzeptiert die ökumenischen Partner grundsätzlich auch als Christen - inklusive deren Möglichkeit zum Heil. Die Auseinandersetzungen gehen demgegenüber um Detailfragen: Kindertaufe oder nicht? Hierarchisches Amt in apostolischer Sukzession? Wo eine solche Akzeptanz nicht gegeben ist und eine Gruppe die Religion exklusiv für sich reklamiert, spricht man von Religiösen Sondergemeinschaften. Obwohl sie durch ihre exklusiven Ansprüche außerhalb des ökumenischen Christentums stehen, sind z.B. Zeugen Jehovas oder Mormonen in Gestalt und Grundgedanken ihrer Religionsauffassungen mit dem Christentum verwandt.

Theorie und Praxis

Die Begegnung mit anderen Religionen geschieht spontan im Alltag oder organisiert in Form von Veranstaltungen des interreligiösen Dialoges. Dort versuchen kompetente Vertreter der jeweiligen Religionen miteinander ins Gespräch zu kommen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede auszuloten, Möglichkeiten für ein friedliches Zusammenleben zu suchen und zum besseren gegenseitigen Verständnis beizutragen. Begegnung, Erfahrungsaustausch und Diskussionen über die religiösen Lehrinhalte gehören dazu. Dies ist gewissermaßen die praktische Komponente. Damit sie gelingen kann, braucht es eine theoretische Grundlegung. Teilnehmer am interreligiösen Dialog, wenn er redlich sein soll, müssen über ihre Grundlagen reflektieren: Wie denke ich über die andere Religion? Dies ist die Aufgabe einer Theologie der Religionen. Sie bildet die unverzichtbare Grundlage für eine sinnvolle Begegnung mit anderen Religionen. Natürlich beeinflussen sich Theorie (Theologie der Religionen) und Praxis (Interreligiöser Dialog) auch gegenseitig. Meine eigene theologische Position kann den Charakter des Gespräches nachhaltig bestimmen. Andererseits kann (und soll) die Begegnung und das Gespräch auch wiederum zu eigenem theologischen Nachdenken führen.

Projekt Weltethos

Eine Theologie der Religionen sollte auch nicht mit dem verwechselt werden, was der röm.-kath. Theologe Hans Küng mit seinem „Projekt Weltethos“ initiiert hat. Küng geht von der Erkenntnis aus, dass das künftige Überleben der Menschheit ein globales Ethos erfordert. Dieses Ethos sieht er im Kern in allen Religionen angelegt. Seine Grundthese besagt, dass die verschiedenen Religionen der Welt sich in ihren grundlegenden ethischen Normen weitgehend einig sind. Diese Erkenntnis kann verhindern, dass Religionen zu politischen Zwecken gegeneinander aufgehetzt werden. Das Projekt Weltethos ist ein wichtiger Impuls dafür, dass die Religionen wieder stärker als moralische Instanzen wahrgenommen werden.

Wichtig ist, dass es Küng nicht um eine Welteinheitsreligion geht. Das Projekt Weltethos beschränkt sich ganz klar auf die ethische Dimension. Religiöse Einigung ist nicht sein Thema. Die Feststellung ethischer Prinzipien in anderen Religionen beinhaltet kein Urteil über die Wahrheit ihrer religiösen Lehren. Damit bleibt die Frage nach den konkurrierenden Wahrheitsansprüchen der verschiedenen Religionen außen vor. Dies wiederum ist das Thema einer Theologie der Religionen.

Exklusivismus

Exklusivismus

In der religionstheologischen Diskussion hat sich vor allem die Einteilung in drei Grundtypen der Verhältnisbestimmung zwischen den Religionen durchgesetzt: 1. Exklusivismus, 2. Inklusivismus und 3. Pluralismus.

Der Exklusivismus geht von der Vorrangstellung der eigenen Religion aus und sieht in ihr den einzigen (exklusiven) Zugang zur letzten göttlichen Wirklichkeit gegeben. Die anderen Religionen haben nach dieser Auffassung keinen Anteil an der Wahrheit.

Auf das Christentum bezogen bedeutet dies, dass Gott sich in Jesus Christus für alle Menschen mitgeteilt hat. Diese Grundaussage begründet zugleich den missionarischen Anspruch des Christentums.

Das biblische Zeugnis bietet etliche deutliche Aussagen, die sich im Sinn einer solchen exklusiven Position verstehen lassen. Die wohl mit Abstand am meisten zitierte Stelle in diesem Zusammenhang ist Joh. 14,6 mit dem Jesuswort „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater, denn durch mich.“ Ebenso zu erwähnen ist der Missionsbefehl in Mt. 28. Im 1. Tim 2,4 wird explizit ausgesagt, dass Christus der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen ist. Andere Heilswege sind damit ausgeschlossen.

Es gehört zu den grundlegenden Glaubensaussagen des Christentums, dass Jesus’ Tod am Kreuz zur Erlösung für alle Menschen geschah, nicht nur für die Juden oder eine spezifische Gruppe. Aus dieser Grundlage folgt logisch die Mission als das Weiterbezeugen des „Evangeliums“, der guten Botschaft.

Die positive Aussage der Erlösung durch Christus führt im Umkehrschluss zu negativen Bewertungen anderer Religionen. Vorsichtig ausgedrückt kann man in ihnen vor allem menschliche Irrtümer sehen. Götzendienst durch letztlich untaugliche Versuche, sich eigene Götter zu schaffen, weil sie den wahren Gott nicht erkannt haben. In heftigeren Interpretationen stößt man auch auf Dämonisierungen der anderen Religionen: diese seien Widergöttlich, vom Teufel beeinflusst, würden Dämonen anbeten u.v.m. Aus solchen Verzerrungen resultiert dann oft eine Angst, die alles heidnische als dämonisch und damit gefährlich ansieht.

Der Exklusivismus ist gewissermaßen die Steilvorlage, die in der Praxis spätestens dann Probleme aufwirft, wenn man Menschen aus anderen Kulturkreisen trifft, die keine Christen sind, aber dennoch ein ehrbares und anständiges Leben führen. Sollten diese für die Hölle bestimmt sein?

Inklusivismus

Inklusivismus

Diesem Problem begegnet die Auffassung des Inklusivismus. Sie hält an der Vorrangstellung der eigenen Religion fest, kann aber anderen Religionen auch Anteile an der Wahrheit zugestehen. Diese sind um so größer, je näher die andere Religion zur eigenen steht.

Biblisch begründet sich eine inklusive Auffassung mit der natürlichen Gotteserkenntnis, die ihren Grund in der Schöpfung hat. Gott ist der Schöpfer aller Menschen (nicht nur der Juden und Christen). Darum können auch die anderen Völker etwas von seiner Größe und Schöpfermacht spüren, selbst wenn sie noch nichts von Jesus gehört haben. Man kann darum anerkennen, dass auch dort Elemente der wahren Gottesanbetung und ein ehrliches Streben und Suchen nach Gott vorhanden ist. In Röm 1,20 argumentiert Paulus mit einer solchen natürlichen Gotteserkenntnis der Heiden. Auch die Areopag-Rede (Apg. 17,22ff.) an die Heiden in Athen, denen Paulus sagt, sie würden unwissend den wahren Gott verehren, kann in diesem Zusammenhang gesehen werden.

Der Inklusivismus ist gewissermaßen die offizielle röm.-kath. Religionstheologie seit dem II. Vatikanischen Konzil. In der Konzilskonstitution Lumen Gentium wird ein Modell konzentrischer Kreise beschrieben, in dem die verschiedenen Religionen nach dem Grad ihrer Nähe zum Christentum sortiert werden. Mit dem Judentum bestehen über das Alte Testament und die Heilsgeschichte mehr Verbindungen als zu den Muslimen. Aber auch diese berufen sich auf Abraham als Stammvater ihres Glaubens. Weiter entfernt sind Hinduismus und Buddhismus sowie sonstige Naturreligionen. Der Kernsatz des inklusiven Modells besagt: „Wer nämlich das Evangelium Christi und seine Kirche ohne Schuld nicht kennt, Gott aber aus ehrlichem Herzen sucht, seinen im Anruf des Gewissens erkannten Willen unter dem Einfluss der Gnade in der Tat zu erfüllen trachtet, kann das ewige Heil erlangen“ (Vat. II., LG 16). Dies erübrigt nicht die Mission, kann aber auch Positives in anderen Religionen anerkennen.

Pluralismus

Die pluralistische Religionstheologie geht noch einen Schritt weiter und behauptet, dass die verschiedenen Religionen gleichermaßen wahr sind. Es gebe keinen Vorzug einer bestimmten Religion, sondern die Religionen seien zwar äußerlich verschiedene, aber prinzipiell gleichberechtigte Zugangswege zur letzten göttlichen/transzendenten Wirklichkeit.

Vorteil einer pluralistischen Religionstheologie ist es, die faktische Existenz verschiedener Religionen nebeneinander als Ausdruck legitimer Vielfalt positiv bewerten zu können. Daraus wird oft abgeleitet, dass diese Auffassung die besten Voraussetzungen für den interreligiösen Dialog mitbrächte. Schließlich sei ein Religionsgespräch nur dann ein offener Dialog, wenn er nicht mit gegenseitigen Missionierungsabsichten begonnen werde. Die für das friedliche Zusammenleben erforderliche religiöse Toleranz erfordere, dass auch die anderen religiösen Standpunkte als wahr anerkannt würden - so kann man es oft hören. Beides halte ich für falsch.

Eine pluralistische Religionstheologie ist nur um den Preis erheblicher Zugeständnisse im Bereich der Logik durchzuhalten und verstellt oft den Blick auf die tatsächlichen Glaubensinhalte der verschiedenen Religionen.

Pluralismus

Gern werden für religionspluralistische Vorstellungen Umschreibungen und Bilder verwendet, wie z.B. das Bild von den verschiedenen Wegen, die letztlich zum gleichen Ziel führen sollen. Am Ende sei es egal, über welchen Weg man auf den Berg gestiegen ist, denn auf dem Gipfel treffen sich die Wege. Dieses Bild vollzieht eine kühne Gleichsetzung der Zielvorstellungen der verschiedenen Religionen, die von deren Selbstverständnis in der Regel nicht gedeckt ist. Kaum ein Muslim würde wohl meinen, dass sein religiöses Ziel (Leben nach dem Willen Allahs) letztlich das gleiche wie das eines Buddhisten (Auflösung der Existenz im Nirvana) sei. Die Religionen besteigen verschiedene Berge.

Gelegentlich wird auch der Wahrheitsbegriff relativiert und individualisiert, um eine Gleichheit der Religionen behaupten zu können. „Ich habe meine Wahrheit, du hast deine Wahrheit...“ Gewiss sind religiöse Glaubensinhalte nicht in gleicherweise überprüfbar, wie Tatsache, ob ein Tisch grün oder blau ist. Dennoch werden Christen nicht davon ablassen können, dass Jesus für die Sünden der Menschen gestorben ist. Der Koran bestreitet dies. Nach den Regeln der Logik können nicht beide Auffassungen gleich wahr sein. Darüber in gegenseitigem Respekt zu streiten ist die Aufgabe des interreligiösen Dialoges. Was soll sonst ein Dialog für Sinn haben, wenn ich von vornherein die Differenzpunkte ausklammern will?

Pluralismus verhindert interreligiösen Dialog

Der These, dass nur mit einer pluralistischen Religionstheologie interreligiöser Dialog möglich wäre, muss deutlich widersprochen werden. Das Gegenteil scheint statt dessen der Fall zu sein. Wie Prof. A. Feldtkeller herausgestellt hat, treffen in einem interreligiösen Dialog nicht einfach zwei Religionen aufeinander. Vielmehr begegnen sich zwei Menschen, von denen jeder mit seiner eigenen Religiosität in einem Stellvertreterverhältnis zu seiner Religion steht. Um etwas von der Religion des Gegenübers zu verstehen, muss man sich darauf einlassen können.

Ein häufiger Fehler besteht darin, aus der auf der menschlichen Ebene erfahrenen prinzipiellen Gleichwertigkeit der Personen als Menschen auf eine ebensolche Gleichwertigkeit der Religionen zu schließen. Wenn ich nun einen interreligiösen Dialog mit einer von vornherein behaupteten völligen Gleichwertigkeit der Religionen beginne, begebe ich mich in die Gefahr, dass ein einziges zusätzliches Argument für die andere Religion das postulierte Gleichgewicht verschiebt und mich zur Konversion bringen müsste. Dieses Risiko ist dann nur durch den Verzicht auf das verstehende Sich-Einlassen auf die andere Religion zu vermeiden. Das führt wiederum zu der oft zu beobachtenden Blindheit gegenüber den tatsächlichen Ansprüchen der anderen Religionen.

Ebenso findet man häufig den Versuch, die pluralistischen Auffassung durch Berufung auf ein (gemeinsames) höheres Prinzip in den Religionen zu retten, z.B. in der Vorstellung, dass die beteiligten Religionen einen gemeinsamen inneren Kern hätten. Dies führt aber leicht zu einer Störung der Stellvertreterfunktion gegenüber meiner Religion: Ich sehe schon eine innere Einheit meiner Religion mit der anderen Religion, die die Übrigen in meiner Religion nicht sehen. Noch schwieriger wird es, wenn ich das übergeordnete Einheitsprinzip in meiner Religion nur teilweise verwirklicht sehe. Dann habe ich mich eigentlich schon von meiner Religion zugunsten einer neu konstruierten Überreligion verabschiedet. Das Prinzip der Gegenseitigkeit im interreligiösen Dialog würde dann aber erfordern, dass mein Gesprächspartner ebenso von seiner Religion denkt und sich gleichsam innerlich von ihr verabschiedet...

Religiöse Toleranz und Nächstenliebe

Die Ablehnung einer pluralistischen Religionstheologie bedeutet nicht, dass man Vertretern anderer Religionen mit rechthaberischer Arroganz oder gar gewaltsamer Unduldsamkeit begegnen dürfe. Leider wurde und wird nicht selten aus der (berechtigten) Überzeugung von der Richtigkeit der eigenen religiösen Anschauung in falscher Weise geschlussfolgert, dass dies zur gewaltsamen Unterdrückung und (Zwangs-)Bekehrung anderer Religionen rechtfertige. Dem muss mit aller Deutlichkeit widersprochen werden. Echte Bekehrung ist nur in Freiheit möglich. Darum ist wirkliche Religionsfreiheit unabdingbare Voraussetzung jeder Mission. Nur wo die Freiheit besteht, sich ohne äußeren Druck für oder gegen eine Religion zu entscheiden, kann diese Entscheidung tragfähig sein.

Darum ist auch - so paradox dies zunächst klingen mag - religiöse Toleranz eine Voraussetzung der Mission. Es gibt häufig das Missverständnis, religiöse Toleranz bedeute die Akzeptanz der Glaubensvorstellungen anderer Religionen. Das ist falsch. Religiöse Toleranz ist die Duldung, das Tolerieren von Abweichungen gegenüber der eigenen Meinung und der bewusste Verzicht auf mögliche repressive Gegenmaßnahmen. Das gilt z.B. auch für die Erlaubnis, Moscheen in Deutschland zu errichten. Die Unterscheidung der Ebenen ist hier wichtig: religiöse Toleranz ist keine Frage der Wahrheit, sondern der Ethik, sie ist nicht auf dem Gebiet der Lehre, sondern des praktischen Lebens angesiedelt. Dort ist sie auch bitter nötig und beinhaltet, Vertretern anderer Glaubensrichtungen mit Respekt und ohne Feindschaft zu begegnen. Nur dann ist ein wirklicher Austausch und gegenseitiges Zeugnis von den eigenen Glaubensgrundlagen möglich.

Religionstheologie trinitarisch

Der theologische Referent des Evangelischen Bundes in Bayern, Dr. Ekkehard Wohlleben, hat in seiner eben erschienenen beachtenswerten Dissertation1 den interessanten Vorschlag unterbreitet, alle drei vorgestellten religionstheologischen Modelle in eine Beziehung zueinander zu bringen. Grundlage dafür ist der trinitarische Glaube. So, wie mit den drei Personen der Trinität verschiedene Handlungsweisen des dreieinigen Gottes verbunden werden, so haben auch die drei religionstheologischen Modelle ihren je spezifischen Ort.

Die Offenbarung Gottes in Jesus Christus ist exklusiv. Sie ist grundlegend für den persönlichen Glauben. Auf der Ebene dieses existenziellen Bekenntnisses liegt die notwendige exklusive Tendenz des christlichen Glaubens.

Als Schöpfer und Erhalter wirkt Gott aber auch in der Geschichte. Das Welthandeln Gottes öffnet den Horizont dafür, auch die Gotteserfahrungen in anderen Religionen wahrzunehmen.

Schließlich muss aber auch anerkannt werden, dass alle menschliche Gotteserkenntnis unvollständig bleibt (vgl. 1Kor 13,9). Darum darf sich auch niemand anmaßen, das Gericht Gottes - auch in der Beurteilung anderer Religionen - vorwegnehmen zu können. Im Blick auf die Größe und Unverfügbarkeit Gottes können darum auch Anliegen einer pluralistischen Religionstheologie Berücksichtigung finden. Wichtig ist es aber immer, auf die korrekte Ebene zu achten: Ein Exklusivismus auf der Ebene des universalen Handelns Gottes wäre ebenso verkehrt wie ein Inklusivismus, der Nichtchristen vereinnahmt (wie es z.B. Karl Rahner mit seiner Rede von den „anonymen Christen“ getan hat) oder auch ein Pluralismus, der auf der Ebene der persönlichen Glaubensgewissheit angesiedelt werden soll. Vor diesem Hintergrund müssen die religionstheologischen Modelle nicht als strenge Alternativen verstanden werden, sondern können je an ihrem Ort zum Verständnis des Problems beitragen.

Harald Lamprecht

1. Ekkehard Wohlleben: Die Kirchen und die Religionen. Perspektiven einer ökumenischen Religionstheologie. Göttingen 2004 (KKR 48)

Artikel-URL: https://www.confessio.de/artikel/70

Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 4/2004 ab Seite 08