In welchem Land wollen wir leben?

Zivilcourage am Heimatort als Bürgerpflicht

2009 ist Wahljahr - Superwahljahr heißt es auch, weil in Sachsen gleich drei Wahlen anstehen. Es mehren sich die besorgten Stimmen, dass angesichts der allgemeinen Stimmung und verstärkt durch die Ängste der Wirtschaftskrise die Politikverdrossenheit sich in stärkeren Wahlerfolgen für rechtsextreme Parteien niederschlagen könnte. Warum ist das so?

Warum brave Bürger rechtsextrem wählen

Mangelnde Information? Das scheidet eigentlich aus, denn es gibt viele Stellen, die sich mit viel Engagement und auf hohem Niveau um eine kritische Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus bemühen. Es gibt etliche Informationsportale im Internet, auf denen kritische Hintergrundinformationen gesammelt sind, es gibt zahlreiche Bücher zur Thematik – aber vermutlich lesen das die potentiellen Rechts-Wähler nicht. Wahrscheinlich interessieren sie sich (leider) nicht für die große Politik, die sie nicht zu verstehen meinen. Wahrscheinlich sorgen sie sich einfach nur um ihr eigenes Auskommen, um den Rest ihres bescheidenen sozialen Wohlstandes, um ihre Zukunft, um ihre Arbeitsstelle. Die können die etablierten Parteien nicht garantieren. Das kann die NPD zwar auch nicht, aber die hat wenigstens ein griffiges Feindbild parat: die Ausländer. Es fällt auf, dass die Angst vor der Not schlimmer ist als die Not. Wo es fast keine Ausländer gibt, wie im Osten Deutschlands, ist die Angst vor Überfremdung ungleich größer. Und in unsicheren Zeiten ist der eigene Herd näher als das soziale Mitleid mit anderen Kontinenten. Aber selbst, wer so denkt, sollte bei einigermaßen geöffneten Augen sehen können, dass die rechte „Alternative“ zum bestehenden „System BRD“ keine Alternative ist, sondern ein Albtraum. Niemand soll sagen, man hätte es nicht vorher sehen können.

Meinungsfreiheit?

Der Parteitag der NPD hat es eigentlich gerade wieder deutlich gezeigt: Eine demokratische, freiheitliche Gesellschaft mit wirtschaftlichem Wohlstand ist von dieser Partei nicht zu erwarten. Zu den Säulen der Demokratie und einer freiheitlichen Ordnung gehört die Pressefreiheit. Sie ist immer mit das erste, was Diktatoren einschränken. Beim NPD-Parteitag wurden zu Beginn alle Journalisten wie seinerzeit bei Goebbels die Intellektuellen als „Geschmeiß“ bezeichnet und von der Veranstaltung ausgeschlossen, während die Delegierten skandierten „Die Presse lügt! Die Presse lügt!“. Sieht so der gewollte Umgang mit der immer wieder sogar für Holocaustleugner und Volksverhetzer nachdrücklich eingeforderten „Meinungsfreiheit“ aus? Man darf sich jedenfalls schon einmal ein Bild machen, wie es aussehen könnte, wenn die NPD mehr zu sagen hätte.

Prügeltruppen

Nach dem Ausschluss der Journalisten schlug der Chef der Jugendorganisation „Junge Nationale“ Schäfer eine Arbeitsteilung vor: die NPD solle das bürgerliche Image wahren, um die Wählbarkeit nicht zu gefährden, während die zu Aktionen drängenden Nachwüchsler zusammen mit gewaltbereiten „Freien Kameradschaften“ die „Ausländerkietze“ und die „Kietze der Linken“ in den Großstädten angehen und diese handgreiflich „knacken“ sollen. Ein Journalist des NDR berichtete, dass offenbar nur die massiv erhöhte Polizeipräsenz im Gebäude in voller Kampfausrüstung handgreifliche Auseinandersetzungen verhindern konnte, während der Chef der NPD-Sicherheitsruppe Manfred Börm die Medienvertreter warnte, er könne für deren Sicherheit nicht garantieren. Prügelnde Schlägertruppen und Terror auf der Straße – sieht so die Zukunft aus, die wir uns für Deutschland erträumen? Dass dies keine überzogenen Negativphantasien sind und die rechte Gewalt sich nicht nur gegen Ausländer und Linksautonome richtet, zeigen jüngste traurige Beispiele der Umgang mit unliebsam erscheinenden Gegenern und Kritikern: Auf der Rückfahrt vom GehDenken am 14. Februar in Dresden wurden Mitglieder des DGB in der Autobahnraststätte Teufelstal zusammengeschlagen - Schädelbruch. Nach einer Gerichtsverhandlung gegen Rechtsextreme, die Dönerstände überfallen hatten, wurde in Dresden am 9. März ein Mitarbeiter des Kulturbüro Sachsen e.V. auf offener Straße angegriffen und zusammengeschlagen. Nur das beherzte Eingreifen von Passanten und das Eintreffen der Polizei verhinderte Schlimmeres. So wie es diese getroffen hat, könnte es jeden Bürger treffen, der nicht in dem beschränkten Weltbild der Prügelhelden als Freund erkannt wird.

Wohlstand?

Insgesamt ist es der NPD nicht gelungen, sich auf ihrem Parteitag als eine die Gesellschaft erneuernde Kraft zu zeigen. Der neue Parteichef ist der Alte: Udo Voigt - sehr zum Ärger seiner Herausforderer. Auch der Gründer der neuheidnischen „Artgemeinschaft“ Jürgen Rieger ist wieder als Stellvertreter dabei. Der Machtkampf innerhalb der NPD wird also weitergehen: die beiden agilsten Landesverbände Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen gegen die Klüngel auf der Ebene der Bundespolitik. Dort ist die NPD so gut wie pleite. Wegen gefälschter Rechenschaftsberichte muss die NPD zudem bis zum 1. Mai 2,2 Millionen Euro Strafe zahlen - das könnte das finanzielle Aus für die NPD bedeuten. Sehen so die Organisatoren aus, denen man das Wohl eines Landes anvertrauen könnte? Ist von solchen halbkriminellen Milieus eine Wirtschaftsführung zu erwarten, welche Deutschland im internationalen Wettbewerb bestehen lässt und die soziale Sicherheit der Bürger garantiert?

Das „sächsische Modell“

Die sächsische NPD bemüht sich indes um ein neues Image: bürgernahe Themen und weniger Nazi-Mief, soziale Gerechtigkeit und Antiglobalisierung als Wahlkampfthema wie es sich z.B. in der Landtagspostille „Klartext“ ausdrückt. Das ist auf der Sachebene manchmal erstaunlich dicht an traditionell linken Positionen. Aber auch die neue Fassade kann nur schwer verbergen, dass im Kern dieselbe verquere Ideologie steckt, wie bei der Bundes-NPD. Auch ein angeblich „neuer“ Nationaler Sozialismus bleibt nur ein Neuaufguß des alten Nationalsozialismus - mit seinen schrecklichen Folgen.

Selbst wenn man alle christlichen Motivationen wie Nächstenliebe und Rücksicht auf die Schwachen zur Seite stellt und nur egoistisch das eigene Wohl im Blick hat, kann man als denkender Mensch nicht sein eigenes Unglück in Form der NPD wählen. Darüber mit seinen Nachbarn zu reden sollte eines jeden Bürgers innere Pflicht sein.

 

Dr. Harald Lamprecht

ist Beauftragter für Weltanschauungs- und Sektenfragen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und Geschäftsführer des Evangelischen Bundes Sachsen.

Artikel-URL: https://www.confessio.de/index.php/artikel/218

Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 2/2009 ab Seite 10