Ich bin gefährlich

Satanismus als Protest

Neben dem experimentellen Umgang mit spiritistischen Techniken ist Satansismus als Protesthaltung eine häufige Form des Jugendsatanismus. „Mancher Jugendliche dekoriert sein Zimmer mit satanistischen Symbolen, oder was er dafür hält, insbesondere in der Absicht, damit seine Familie zu erschüttern.

In unserer Zeit eignet sich der Satanismus als Protestform Jugendlicher insbesondere wegen seiner Zweifrontenposition. Ein jugendlicher Satanist schockiert seine christlichen Eltern, weil er ihre Religion umkehrt und verballhornt, seine atheistischen Eltern aber nicht weniger, weil er sich einer religiösen Macht unterwirft und die Kraft der Vernunft verabschiedet. Insofern treffen sich im Satanismus protestbereite Jugendliche aus christlichen wie aus atheistischen Elternhäusern.

Jugendsatanismus als Protestform passt daneben bestens in die Entpolitisierung und Individualisierung der Jugend hinein. Statt gemeinsamer politischer Aktion zur Veränderung der Gesellschaft wird zwecks Protest das eigene Zimmer satanistisch dekoriert. Damit zeigt sich gerade im Protest eine weitgehende Übernahme der Ideenwelt der gegenwärtigen Gesellschaft: Unserer Gestaltung ist nurmehr der eigene Privatbereich zugänglich.

Tritt der Jugendsatanismus über den individuellen Raum hinaus, sind seine Aktionen weitgehend destruktiv: Schmierereien, Grabschändungen und derartiges wird ab und an ausgeführt. In der Destruktivität dieses Protestes zeigt sich dessen Hilflosigkeit: Er hat keinerlei Gestaltungskraft, er entwirft keine positive Alternative zur Gesellschaft. Er bleibt im Neinsagen stecken.“(1)

Beispiel: Marilyn Manson

Manson
Eine Fan-Homepage von Marilyn Manson

Beispiele für eine Hinwendung zum Satanismus aus Protest geben die Biographien vieler Satanisten ab. Marilyn Manson, mit bürgerlichem Namen Brian Warner und nicht nur in den USA weit gehasster Bürgerschreck, stammt aus einem gutbürgerlichen Elternhaus. In der Heritage Christian School erlebte er eine enge fundamentalistische Weltsicht mit apokalyptischen Angsten und ständiger Furcht vor Verführungen des Satans. Er wurde Zeuge ritueller Verbrennungen von Rock-LPs und der Bekämpfung von Queen als satanischer Gruppe wegen ihrer Bejahung der Homosexualität.(2)

Mansons Satanismus ist nur als Reaktion auf diese unverarbeiteten Jugenderlebnisse zu verstehen. Er will schockieren, provozieren, erregen. Dies ist im Effekt allerdings keineswegs harmlos.

Gruppenidentität

Mitunter wird Satanismus von Cliquen Jugendlicher benutzt, um sich eine eigene Gruppenidentität zu verschaffen. Dabei dient der Satanismus in erster Linie der Abgrenzung nach außen: er hält diejenigen fern, die man nicht dabei haben möchte. Darum wird das satanistische Image plakativ nach außen gezeigt.

In diesen Kontext gehören auch „satanistische“ Mutproben als Aufnahmerituale in die Clique. Mitunter (aber keineswegs immer) wird Arkandisziplin vereinbart, um den internen Zusammenhalt zu erhöhen.

Je nach Sozialstruktur innerhalb der Clique kann für den Einzelnen ein gewisser Druck entstehen. Dies gilt insbesondere, wenn der „Boss“ der Gruppe Satanismus benutzt, um interne Rangordnungen zu stabilisieren und es dem Jugendlichen nicht möglich ist, das soziale Umfeld zu wechseln.

In der Regel sind solche Gruppen klein und spontane Bildungen mit bestimmten Personenkonstellationen. Das unterscheidet sie von okkulten Orden. Ausgangspunkt und Grund des Zusammenkommens ist der Freundeskreis, nicht der Satanismus an sich.

Oft wird darum auch kein großer liturgischer Aufwand betrieben. Die Inhalte der gemeinsamen „Rituale“ sind von dem bestimmt, was die Jugendlichen aus der Bravo oder dem Fernsehen über die schrecklichen Taten der Satanisten erfahren haben. Auch Aufklärungsbücher können „gegen den Strich“ gelesen und als Ritualvorlagen mißbraucht werden. Entscheidend ist aber weniger religiöse Vergewisserung, sondern ein möglichst großer emotionaler Kick.

Eine gewisse Rolle nimmt dabei das Opfern von Tieren ein, das demgegenüber in Gruppen erwachsener „religiöser“ Satanisten eine Ausnahme darstellt und z. T. sogar prinzipiell abgelehnt wird. (z. B. in der Church of Satan LaVeys sind Tieropfer verpönt.) Bei den erwachsenen Satanisten spielt statt dessen die sexuelle Komponente eine größere Rolle, die unter Jugendlichen weniger ausgeprägt ist.

Besonders problematisch wird es, wenn zusätzlich Drogen ins Spiel kommen oder Satanismus von kriminellen Anführern zur Gewinnung duldsamer Untergebener benutzt wird. Als Ideologie des Bösen bietet er sich für solche Zwecke an. Glücklicherweise ist dies kein Massenphänomen, sondern auf Einzelfälle beschränkt.

Harald Lamprecht, 9/2001
 

1) G. Schmid: Geht die Jugend zum Teufel? (http://www.relinfo.ch/satanismus/jugendtxt.html)

2) Roman Schweidlenka: Satanischer Zeitgeist, Materialdienst der EZW 7/2001, 235 f.

Dr. Harald Lamprecht

ist Beauftragter für Weltanschauungs- und Sektenfragen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und Geschäftsführer des Evangelischen Bundes Sachsen.

Artikel-URL: https://www.confessio.de/index.php/artikel/97

Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio Themenheft 01 ab Seite 14