Römisch, aber nicht katholisch

Glaubenskongregation enttäuscht ökumenische Hoffnungen

Am 29. 6. 2007 veröffentlichte die römische Glaubenskongregation ein Schreiben mit dem Titel „Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten der Lehre über die Kirche“, das aufgrund seiner Aussagen in evangelischen Kreisen große Empörung verursacht hat. Das Konfessionskundliche Institut des Evangelischen Bundes in Bensheim hat in zwei Stellungnahmen das Schreiben analysiert und seine ökumenische Bedeutung dargestellt.

Mit „Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche“ werden Präzisierungen des römisch-katholischen Kirchenverständnisses vorgenommen, die für den ökumenischen Dialog brisant sind. Dabei geht die Verlautbarung theologisch nicht über „Dominus Iesus“ (2000) hinaus.

Innerkatholischer Konflikt um das Verständnis von Kirche

Die Glaubenskongregation stellt in diesem von Papst Benedikt XVI. autorisierten Schreiben fest, dass das römische Kirchenverständnis im Sinne der Konzilskonstitution „Lumen gentium“ exklusiv zu verstehen sei. Bewusst hatte man damals formuliert, dass die verfasste römisch-katholische Kirche nicht identisch „ist“ mit der im Credo bekannten katholischen und apostolischen Kirche Jesu Christi, sondern „verwirklicht in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird“ (LG 8). Adressaten des heutigen Schreibens sind in erster Linie die Bischöfe, Theologen und Theologinnen der eigenen Kirche, die seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Debatte über das römische Kirchenverständnis so kontrovers wie das Konzil selbst führen. Schon der vom Vatikan gemaßregelte frühere Franziskaner Leonardo Boff hatte ja betont, dass die einzige Kirche Christi „auch in anderen christlichen Kirchen subsistieren kann“. Ähnliche Positionen vertreten heute viele katholische ÖkumenikerInnen. Ihnen wie auch dem Präsidenten des päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Walter Kardinal Kasper, der in jüngster Zeit von verschiedenen „Typen von Kirche“ sprach, wird klar widersprochen.

Ökumenische Abgrenzungen

In Bezug auf den Protestantismus wird erneut unterstrichen, dass die aus der Reformation hervorgegangenen evangelischen Kirchen nicht als Kirchen, sondern als „Gemeinschaften“ tituliert werden müssen, da sie in für Rom wesentlichen Fragen des priesterlichen Amtes und der sog. Apostolischen Sukzession erhebliche „Defekte“ aufweisen. Auch gegenüber der ostkirchlichen Ekklesiologie werden bestehende Abgrenzungen präzisiert. Wenn mit „Schwesterkirchen“ nur die in Gemeinschaft mit Rom stehenden Ostkirchen gemeint sind, bringt die Erklärung nichts Neues. Sind darüber hinaus mit dem unpräzise verwendeten Begriff „Ostkirchen“ auch die (noch) nicht in Gemeinschaft mit Rom stehenden Orthodoxen Kirchen gemeint, bedeutet dies, dass die panorthodoxe Kirchengemeinschaft sich nicht an und für sich als Schwesterkirche zur römisch-katholischen Kirche verstehen kann.

Evangelische Einschätzung

Letztlich kann wie 2000 zu Dominus angemerkt werden, dass hier keine allgemeine, also „katholische“, sondern allenfalls eine römische Ekklesiologie im Mittelpunkt steht. Man will eben nicht dem näherkommen, was zu allen Zeiten, von allen und überall als die eine Kirche Jesu Christi geglaubt wird. Auch die neue Erklärung aus Rom will vielmehr die „eigene partikularkirchliche Sonderlehre zum Maßstab allen christlichen Redens und Glaubens von Kirche machen“, wie Jörg Haustein beriets 2000 in Bezug auf „Dominus Iesus“ feststellte. Damit werden die ekklesiologischen Fragen erklärt, aber nicht geklärt.

Die evangelischen Kirchen sollten dankbar für ihr inklusives theologisches Prinzipienverständnis sein und auf allen Ebenen theologische Argumente gegen jenes exklusive konservative Lehramtsverständnis ins Spiel bringen. Die Ökumene am Ort wird dies aber nicht mehr erschüttern können.

 

Dr. Walter Fleischmann-Bisten / Alexander Gemeinhardt (Konfessionskundliches Institut Bensheim)

Dr. Walter Fleischmann-Bisten

war bis 2016 Freikirchenreferent und Leiter des Konfessionskundlichen Instituts des Evangelischen Bundes in Bensheim.

Artikel-URL: https://www.confessio.de/artikel/106

Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 4/2007 ab Seite 14