Vaticanum II im konservativen Rückspiegel

Communiqué zu „Antworten auf  Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche“
Das Dokument der Glaubenskongregation setzt der durch „Dominus Iesus“ (2000) ausgelösten Diskussion über die Interpretation der Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils über das Verhältnis der Kirche Jesu Christi zur Römisch-katholischen Kirche ein Ende. Es verordnet der katholischen Theologie eine konservative Auslegung der konziliaren Ekklesiologie und schließt damit Interpretationsspielräume, an die sich im ökumenischen Dialog die Hoffnung auf eine ökumenisch flexiblere Praxis der römischen Kirche geheftet hatte. Bestärkt fühlen kann sich die traditionalistische Konzilskritik, die sich außer an der Liturgiereform vor allem an der Modifikation des römischen Exklusivanspruchs durch die Kirchenkonstitution entzündet hat.

Theologische Einschätzung

In der Sache gehen die vatikanischen „Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche“ nicht über die Erklärung „Dominus Iesus“ hinaus. Unter Verweis auf die Diskussion in der Konzilsaula vor dem Ökumenismusdekret wird aber die exklusivistische Interpretation des „subsistit“, die „Dominus Iesus“ noch in einer Fußnote untergebracht hat, zum Haupttext gemacht und zur kirchlich verbindlichen Position im Blick auf die anderen Kirchen erhoben. Ebenso wird die Position der zeitgleich mit „Dominus Iesus“ durch Indiskretion bekannt gewordenen (und auch in diesem Dokument nicht genannten) Note der Glaubenskongregation über den Ausdruck „Schwesterkirchen“ ausdrücklich in den Lehrbestand aufgenommen.

Während es - über den Wortlaut von „Dominus Iesus“ hinausgehend - von den anderen „Kirchen und (!) kirchlichen Gemeinschaften“ heißt, dass in ihnen kraft der vorhandenen Elemente der Heiligung und Wahrheit „die Kirche Christi gegenwärtig und wirksam ist“, soll das Konzil die Formel, dass die Kirche Jesu Christi in der römisch-katholischen Kirche „subsistiert“, gewählt haben, um auszuschließen, dass die einzige Kirche Jesu Christi auch in christlichen anderen Kirchen verwirklicht sein könnte. Gegenüber einem einfachen „ist“ bringe der Ausdruck „subsistiert in“ lediglich klarer zum Ausdruck, dass außerhalb der römisch-katholischen Kirche „vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit“ zu finden seien.

Man muss die Offenheit würdigen, mit welcher Rom diese ekklesiologische und ökumenische Sicht darlegt, wohl wissend, dass sie beim ökumenischen Partner schmerzhafte Reaktionen auslösen muss. Das gilt nicht nur für die evangelischen Kirchen, denen das Kirchesein im eigentlichen Sinne „nach katholischer Lehre“ abgesprochen wird. Den Ostkirchen wird zwar bescheinigt, dass sie den Titel „Teil- oder Ortskirchen“ verdienen und „Schwesterkirchen der kirchlichen Teilkirchen genannt“ werden; wegen der fehlenden Gemeinschaft mit Rom leide ihr Teilkirchesein jedoch „unter einem „Mangel“. Den Vorwurf einer Rückkehrökumene will das Lehramt nicht gelten lassen, sondern vertraut darauf, dass aufgrund des ökumenischen Dialogs die anderen Kirchen diejenigen Elemente bei sich selbst entdecken oder stärken, die zum vollen Kirchesein gehören und „auf die katholische Einheit hindrängen“.

Ökumenische Perspektiven

Ökumene kann auch aus evangelischer Sicht nur vorankommen, wenn sie sich nicht am Wünschbaren orientiert, sondern an dem, was die jeweilige theologische Tradition vorgibt und ermöglicht. Die restriktive Auslegung, der die katholische Tradition in dem Dokument unterzogen wird, ruft jedoch starke Bedenken hervor. Die Formulierung „subsistiert in“ war nicht nur von den Konzilsbeobachtern, sondern auch von einflussreichen römisch-katholischen Theologen als Indiz einer ökumenische Öffnung verstanden worden und bildete in der Folgezeit einen Hauptangriffspunkt traditionalistischer Konzilskritik. Auch in anderen Fragen, etwa der Religionsfreiheit, ließ sich das Konzil zu Antworten herausfordern, deren Neuheit sich einer Deutung sperrt, wonach lediglich Vorhandenes „entfaltet, vertieft und ausführlicher dargelegt“ wurde. Die vom Konzil ausgelöste ökumenische Erwartung würde bei einer Lesart, wie sie heute die Glaubenskongregation für die Konzilstexte durchsetzen möchte, rückblickend völlig unerklärlich. Die Texte verdienen eine Hermeneutik, die sie im Licht der von ihnen ausgelösten Dynamik interpretiert, statt diese Dynamik einem eng verstandenen Buchstaben zu opfern.

Offene ekklesiologische Fragen

Von den offenen Problemen der jeweiligen Ekklesiologie ist in den amtlichen Texten auf beiden Seiten wenig zu spüren. Das vatikanische Dokument bekräftigt, dass nicht-katholische Kirchen Mittel des Heils sein können und dass durch die Trennung der Christen „die katholische Universalität an ihrer vollen Verwirklichung in der Geschichte gehindert“ ist. Es differenziert aber nicht ausreichend zwischen den biblisch bezeugten Grundvollzügen von Kirche und ihren jeweiligen geschichtlichen Ausgestaltungen und leistet damit einem institutionellen Exklusivismus Vorschub. Die evangelische Seite pflegt sich einen ekklesiologischen Inklusivismus zugute zu halten, neigt aber zu einem Umgang mit der reformatorischen Tradition, der konfessionelle Spaltungen nicht mehr als Zerbrechen der „wahren Einheit“ der Kirche wahrnimmt und nicht genügend bedenkt, dass im Kriterium der rechten „Verwaltung der Sakramente“ (Augsburger Bekenntnis Art. 7) ein mit anderen Kirchen geteiltes Element von Sichtbarkeit gegeben ist, das einer Vergleichgültigung der Strukturfrage entgegensteht. Insofern hat es eine dialogoffene Hermeneutik, die sich durch die Existenz der anderen auf Ungesagtes der eigenen Tradition aufmerksam machen lässt und sich nicht identitätslogisch verschließt, auf römisch-katholischer wie auf evangelischer Seite weiterhin schwer.

Dr. Walter Schöpsdau

Artikel-URL: https://www.confessio.de/index.php/artikel/107

Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 4/2007 ab Seite 15