Taufe und Versiegelung

Evangelische und neuapostolische Christen auf dem Weg der Verständigung

Auf einer Begegnungstagung haben am 16./17. März 2012 im Augustinerkloster in Gotha evangelische und neuapostolische Christen über theologische Fragen diskutiert, die für das ökumenische Verhältnis zwischen beiden Kirchen wichtig sind. Das Zusammentreffen stand unter der Überschrift „Ein Herr, ein Geist, eine Taufe?“ In den Diskussionen, die in vertrauensvoller Atmosphäre stattfanden, konnten hilfreiche Klärungen für das gegenseitige Verständnis gewonnen werden.

Den Auftakt der Begegnung bildete eine öffentliche Podiumsdiskussion, zu der zahlreiche neuapostolische und evangelische Christen aus Gotha und Umgebung gekommen waren. Auf dem Podium diskutierten der für die NAK in Thüringen verantwortliche Apostel Rolf Wosnitzka, Andreas Vöhringer, theologischer Referent im Verlag Friedrich Bischoff, Prof. Dr. Thomas Knittel von der Evangelischen Hochschule Moritzburg und Dr. Harald Lamprecht, Beauftragter für Weltanschauungsfragen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Es moderierte Pfr. Dr. Aribert Rothe aus Erfurt, Vorsitzender der Evangelischen Konferenz für Konfessionskundliche Arbeit in Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Taufe und Versiegelung

Die Taufe markiert für die meisten christlichen Kirchen den Eintritt in die jeweilige konkrete Ortskirche und damit  zugleich auch in die universale Kirche Jesu Christi. Bei der NAK sind diese Aspekte auf zwei Handlungen verteilt: Während die Eingliederung in den Leib Christi mit der Wassertaufe erfolgt, ist der Beginn der Mitgliedschaft in der Neuapostolischen (Konfessions-)Kirche mit dem Sakrament der Versiegelung verknüpft, das nach der Wassertaufe von einem Apostel durch Handauflegung gespendet wird. Wie verhält sich nun das Sakrament der Versiegelung zur Taufe, wie sie auch in allen anderen christlichen Kirchen praktiziert wird? Was bedeutet es für das ökumenische Miteinander, wenn auf neuapostolischer Seite davon gesprochen wird, dass zur Versiegelung auch die Gabe des Heiligen Geistes gehört?

Gotteskindschaft

Schnell stellte sich heraus, dass der Begriff der „Gotteskindschaft“ ökumenischen Klärungsbedarf hat. In der Vergangenheit wurde sie auf neuapostolischer Seite vorwiegend zur abgrenzenden Beschreibung der eigenen Stellung verwendet. Das im Jahr 2011 neu formulierte Kirchenverständnis der NAK signalisiert jedoch eine Trendwende und betrachtet die Neuapostolische Kirche als Teil und Glied der universalen Kirche Jesu Christi, zu der neben der NAK auch andere Kirchen gehören. Auch die ordentlich vollzogenen Taufen der anderen christlichen Kirchen werden jetzt anerkannt, ohne wie bisher einer Bestätigung zu bedürfen. Dazu steht in Spannung, dass nach wie vor die Gotteskindschaft nicht mit der Taufe, sondern mit der Spendung des Sakraments der Versiegelung verbunden wird, welches neuapostolischen Aposteln vorbehalten ist. Apostel Wosnitzka stellte klar, dass aus seiner Sicht alle getauften Christen als Kinder Gottes angesehen werden können. Die neuapostolisch verstandene Gotteskindschaft soll dies nach seinem Verständnis nicht ausschließen, sondern ein besonderes Näheverhältnis zu Gott ausdrücken, das neuapostolische Christen für sich vom Sakrament der Versiegelung erwarten. Die Verwendung des Begriffes bleibt missverständlich, sollte aber im Kontext der weiteren aktuellen Lehraussagen der NAK betrachtet werden.
Viele Teilnehmende drückten ihre Hoffnung aus, dass die ökumenische Annäherung von NAK und evangelischer Kirche weitere Fortschritte macht und breitere Kreise erreicht als bisher.
Der weitere Verlauf der Tagung war von Vorträgen, Bibelarbeiten und Gesprächsrunden bestimmt.

Empfang des Heiligen Geistes

Das evangelische Verständnis von Taufe, Konfirmation und Geistempfang wurde von Prof. Dr. Thomas Knittel dargestellt. Er machte u. a. deutlich, dass der Empfang des Heiligen Geistes kein einmaliges Geschehen ist, sondern sich im Leben eines Christen immer wieder ereignet. Geistempfang verursacht auch keinen festen „Besitz“ des Heiligen Geistes, über den dann nach eigenem Gutdünken verfügt werden könnte. Vielmehr ist der Empfang des Heiligen Geistes als Erfahrung der Präsenz und Wirksamkeit Gottes im eigenen Leben zu beschreiben. Der Geist sorgt als Person der göttlichen Dreieinigkeit dafür, dass bewusst erkannt werden kann, was Gott als Vater und als Sohn im eigenen Leben bewirkt hat. Schließlich ist eine der zentralen Wirkungen der Taufe die Eingliederung in die Gemeinde als Leib Christi. Biblisch wird die Taufe als neue Geburt bezeichnet. Der getaufte Mensch wird damit zum Kind Gottes. Das biologische Leben beginnt bereits vor der Geburt und muss sich danach weiter entfalten. Ebenso gibt es auch Glauben schon vor der Taufe, der danach weiter wachsen muss. Die Konfirmation ist in der evangelischen Kirche kein Sakrament, sondern in erster Linie eine Erinnerung und persönliche Bekräftigung der geschehenen Taufe.

Taufe „heilsnotwendig“?

Kontrovers diskutiert wurde die Frage, inwieweit die Taufe „heilsnotwendig“ ist. Auf der einen Seite steht die Feststellung, dass Gott in seiner Souveränität nicht zwingend auf die Taufe angewiesen ist, um einen Menschen zu erretten. Auf der anderen Seite stehen der klare Auftrag zur Taufe und die Feststellung, dass die Taufe Voraussetzung für das Christsein ist. In diesem Sinn müsste man umformulieren: Wir haben die Taufe nötig.

Taufverständniss der NAK

Einen Abriss über die geschichtliche Entwicklung des Taufverständnisses der NAK gab Andreas Vöhringer, theologischer Referent im Verlag Friedrich Bischoff. 1898 publizierte Apostel Menkhoff einen Text über die Taufe, in dem die Taufe noch als „wahres Prinzip der Wiedergeburt“ bezeichnet wurde, das in den Leib Christi hinein führt. Später wurden allmählich immer mehr Aspekte der Taufe der Versiegelung zugeordnet. Unter Leitung von Stammapostel Bischoff verlagerten sich die theologischen Schwerpunkte auf die Eschatologie und das Amtsverständnis. Die Taufe anderer christlicher Gemeinschaften wurde deutlich abgewertet. Während in der ersten Fassung der „Fragen und Antworten über den Neuapostolischen Glauben“ noch ein engeres und ein weiteres Verständnis der Taufe nebeneinander stehen konnten, wurde in der Revision von 1951 auch der 6. Artikel an das enge Verständnis angepasst. Wegweisend waren dann die ab 2006 veröffentlichten Neufassungen des Verständnisses von Taufe und Versiegelung in der NAK, welche die zwischenzeitlichen Engführungen überwinden konnte und wieder zu der anfänglichen Offenheit im Verständnis zurückführte. Entscheidende Aussage ist die nunmehr vollkommene Anerkennung der Taufen in anderen Kirchen und die Feststellung, dass (bereits) die Wassertaufe in das Leben der Gemeinde einfügt und mit Christus verbindet. Dies gilt dann eben auch für in anderen Kirchen gespendete Taufen.
Apostel Wosnitzka erläuterte im Anschluss daran einige Aussagen zu Taufe und Versiegelung, wie sie in dem neuen Katechismus, der im Herbst erscheinen wird, angelegt sind.

Fazit

Die Tagung, die in dieser Form bereits zum dritten Mal stattfand, schloss mit dem Ausblick auf ein weiteres Treffen im kommenden Jahr. Im Blick auf den einen Herrn, die eine Taufe und den einen Heiligen Geist, der in beiden Kirchen wirkt, besteht die Hoffnung auf ein weiter vertieftes gegenseitiges Verstehen zwischen neuapostolischen und evangelischen Christen.

Artikel-URL: https://www.confessio.de/artikel/287

Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 2/2012 ab Seite 15