Ein Meilenstein für die innerevangelische Ökumene

Kommentar des Leiters des Konfessionskundlichen Instituts zum Taufdokument bayerischer Lutheraner und Baptisten

Je länger ein Prozess geheim gehalten wird, desto größer ist letztendlich die Überraschung der Rezipienten. Dies gilt auch für das jetzt veröffentlichte „Konvergenzdokument der Bayerischen Lutherisch-Baptistischen Arbeitsgruppe (BALUBAG)“. Der Titel des 26 Seiten umfassenden Textes „Voneinander lernen – miteinander glauben“ und das biblische Motto aus dem Epheserbrief („Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe“) verraten noch nicht das Ziel der Studie: Die zehnköpfige Arbeitsgruppe empfiehlt ihren Kirchen nichts Geringeres als „die Aufnahme von Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft“.

Ökumenische Brücke über alte Gräben

Das ist zweifellos ein Meilenstein, wenn nicht gar ein Wunder, in einer immer dann schwierig werdenden innerevangelischen Ökumene, wenn es um die Taufe geht. Jahrhunderte lang waren die Gräben tief. Besagt doch Artikel 9 des Augsburgischen Bekenntnisses von 1530, dass diejenigen „verworfen“ seien, „die lehren, dass die Kindertaufe nicht richtig sei“. Wie lange hat es gedauert bis man das Taufalter freigegeben und die Baptisten nicht mehr als Sekte bezeichnet hat? Noch im Mai 2007 betonte seinerseits das Präsidium der im „Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden“ (BEFG) zusammengeschlossenen deutschen Baptisten, dass die Glaubenstaufe „der einzige Schritt zur Gemeindemitgliedschaft“ sei und man allenfalls „Sonderreglungen für seelsorgerlich begründete Ausnahmen“ akzeptieren könne. Nun wird mit diesem Dokument mehr als nur eine ökumenische Brücke für diejenigen gebaut, die etwa bei einer Konversion von der Landeskirche zur Freikirche sich nicht den Vorwurf einer „Wiedertaufe“ (Taufwiederholung) einhandeln wollen und doch volle Gemeindemitgliedschaft anstreben.

Gemeinsames Sakramentsverständnis

Drei Aspekte verdienen besondere Würdigung:

Einmal nimmt die Arbeitsgruppe die Ergebnisse der bisherigen innerevangelischen Taufgespräche auf – nämlich zwischen Mennoniten und Lutheranern in Deutschland, zwischen der „Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa“ mit der „Europäischen Baptistischen Föderation“ und zwischen den evangelischen Minderheitskirchen in Italien. Dennoch werden gleichzeitig „die theologischen Überzeugungen der jeweils anderen Seite“ so intensiv wahrgenommen, bis sich beide Seiten richtig verstanden haben. Stärken und Schwächen werden unmissverständlich benannt.

Zweitens werden vor der eigentlichen Taufdiskussion die übereinstimmenden Positionen in der Rechtfertigungsbotschaft und im Kirchenverständnis in Erinnerung gerufen.

Drittens wird ein gemeinsames Sakramentsverständnis festgestellt: Abendmahl und Taufe sind wirksame Zeichenhandlungen und wie die Predigt „ganz darauf angelegt, den Glauben an Jesus Christus zu wecken und zu stärken“.

Legitime Auslegungen des einen Evangeliums

Das Ergebnis lautet: „Glaube und Taufe sind untrennbar verbunden, die Taufe ist unwiederholbar. Auch wenn die zeitliche Reihenfolge von Zuspruch und Anspruch unterschiedlich akzentuiert wird, sind wir uns einig, dass die Taufe als Gabe Gottes die Antwort des Täuflings zum Ziel hat.“ Daher „können beide Taufverständnisse als unterschiedliche, jedoch legitime Auslegungen des einen Evangeliums“ anerkannt werden.

Rezeptionsprozess bleibt spannend

Auf drei Entwicklungen darf man gespannt sein:

1. BALUBAG arbeitete „im Benehmen“ mit der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und dem Präsidium des BEFG. Wie die jeweils zuständigen Kirchen- und Gemeindeleitungen und die „ökumenische Öffentlichkeit“ mit diesen Ergebnissen und Vorschlägen umgehen ist offen und der Rezeptionsprozess muss mit Spannung beobachtet und ausgewertet werden.

2. Wie werden die anderen evangelischen Freikirchen reagieren, die bisher wie die Baptisten aus theologischer Überzeugung nur die Glaubenstaufe als biblisch legitim anerkennen?

3. Welche praktischen und kirchenrechtlichen Folgen werden im Blick auf Säuglingstaufe, Taufaufschub, Taufablehnung, Tauferinnerung, Konfirmation, Gemeindemitgliedschaft und Gemeindewechsel in den einzelnen Kirchen wann und wie gezogen? Wenn sich schon bald die Vorschläge von BALUBAG umsetzen ließen, müssten viele Fachbücher, Handreichungen und Arbeitshilfen überarbeitet werden.

Dr. Walter Fleischmann-Bisten

war bis 2016 Freikirchenreferent und Leiter des Konfessionskundlichen Instituts des Evangelischen Bundes in Bensheim.

Artikel-URL: https://www.confessio.de/index.php/artikel/225

Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 3/2009 ab Seite 16