Hellseherei in der Schweiz

 Ab wann ist Wahrsagen Ausbeutung?

Das Zürcher Straf- und Justizvollzugsgesetz enthält die Festlegung, dass gewerbsmäßiges Wahrsagen, Traumdeutung, Geisterbeschwörung, Anleitung zur Schatzsuche etc. unter Androhung von Strafe verboten sind. Ein solches Gesetz ist in der Schweiz nicht selten. Auch andere Kantone haben entsprechende Bestimmungen in ihrem Rechtskatalog. Die Basler Hellseherin „Franziska“, die unter anderem den Tod des eigenen Vaters voraussah, erhielt daher auch aus Zürich einen Brief mit einer Anzeige, gegen Zürcher Recht verstoßen zu haben. Die Anklage lautete, im Internet in einer bezahlten Google-Werbeanzeige öffentlich ihre Dienste angeboten zu haben. Interessant ist bei dieser Anzeige aber, dass „Franziska“ als Bürgerin im Kanton Basel-Stadt nicht unter die Bestimmungen des Kantons Zürich fällt. Warum mischt sich die Polizei eines anderen Kantons so herzhaft ein? Ist in der Schweiz nun doch nicht alles „von Kanton zu Kanton“ unterschiedlich?

Das Zürcher Gesetz soll gegen gewerbsmäßige Ausbeutung vorgehen, also gegen horrende Preise für keine „Leistung“. Sieht man auf die Website des Mediums (www.franziska-medium.ch), so kostete bei Aufruf der Seite ein einstündiger Kontakt mit Verstorbenen 120 Schweizer Franken, umgerechnet circa 81 Euro. Eine 15-minütige Telefonberatung kostet umgerechnet derzeit etwa 27 Euro. Das Medium berichtete, dass sie selten Kunden habe, die länger als 20 Minuten ihre Hilfe telefonisch in Anspruch nähmen und finanziell ganz schwach betuchte Kunden mitunter nicht zahlen müssten. Scheinbar überhaupt nicht beachtet werden von der Polizei die richtig großen Medien, die man aus Presse und Fernsehen kennt. Die in Zürich wohnende Monica Kissling, besser unter ihrem Pseudonym „Madame Etoile“ bekannt, dürfte nach Zürcher Recht ihre „Künste“ nicht anbieten, tut dies aber sehr erfolgreich in Printmedien, Fernsehen und Rundfunk. Ihre Preistabelle unterscheidet sich deutlich von den Preisen „Franziskas“: Eine 90minütige persönliche Beratung bezahlt der Kunde hier mit 600 Franken, immerhin etwa 407 Euro. Dazu werden natürlich noch die gängigen 7,6% Mehrwertsteuer berechnet. Eine telefonische Beratung ist mit 400 Franken plus Mehrwertsteuer nicht ganz so teuer. Am günstigsten ist immer noch die Beratung per E-Mail, die mit umgerechnet circa 170 Euro zu Buche schlägt. Madame Etoile wohnt zwar im Kanton Zürich, gibt jedoch im Kanton Bern Horoskope aus. Sie ist daher in zwei Kantonen tätig, welche beide die Anbietung ihrer Dienste eigentlich durch das geltende Recht verbieten. Sie selbst ignoriert diese Bestimmungen und weist daraufhin hin, dass sie weder Wahrsagen, Traumdeuten noch Kartenlegen (sondern „astrologische Beratungen“) praktiziere. Die Polizei verhält sich ihr gegenüber tolerant. Das Vorgehen der Kantonspolizei ist hier offensichtlich inkonsequent, um nicht zu sagen: willkürlich. Die Kantonspolizei Bern ließ jedenfalls verlauten, dass man Wichtigeres zu tun habe. Nun diskutieren die Schweizer in den Leserbriefspalten, ab wann professionelles Wahrsagen als Ausbeutung anzusehen sei.

SW / http://www.beobachter.ch/leben-gesundheit/artikel/hokuspokus_wegschauen-bei-hellsehern/

 

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Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 1/2010 ab Seite 01