Biblische "Konvergenzen" zur Esoterik?

Prof. Dr. Manfred Josuttis auf Abwegen

Der in Theologenkreisen sehr bekannte ehemalige Göttinger Professor für Praktische Theologie, Dr. Manfred Josuttis, hat in einer „pastoraltheologischen Stellungnahme“ mangelnde Unterscheidungsfähigkeit demonstriert und dem umstrittenen Troisdorfer Heilpraktiker Steed Dölger „Konvergenz zu zentralen biblischen Aussagen“ bescheinigt.

Konflikt um eine Pfarrerin

Hintergrund des Konfliktes ist die Versetzung einer rheinischen Pfarrerin, die sich an der Troisdorfer „Akademie für Feng Shui und Visionäre Führung“ zur Feng-Shui-Beraterin ausbilden ließ (Vgl. Confessio 2/2007, 3). Ein Lehrverfahren gegen sie wurde durch eine Distanzierungserklärung ihrerseits beendet und ein Disziplinarverfahren eingestellt. Aufgrund des zerrütteten Vertrauensverhältnisses, das offenbar nicht wiederherzustellen war, beantragte die Gemeinde eine Abberufung. Von Prof. Josuttis, der sich als ihr „theologischer Beistand“ bezeichnet, wurde sie während des Verfahrens unterstützt. Inzwischen hat die Pfarrerin eine Internetseite eingerichtet, auf der sie ihre Position darstellt und unumwunden zugibt, dass ihre gegenüber dem Landeskirchenamt abgegebene Distanzierungserklärung von keinerlei innerer Einsicht getragen und lediglich formaler Natur war. Sie habe sich niemals von den Menschen in der Akademie distanziert. Der Forderung, sich von den in der Akademie gelehrten Inhalten zu distanzieren, die dem christlichen Glauben widersprechen, sei sie nachgekommen, weil sie bei ihrer Ausbildung „in der Akademie nichts kennen gelernt habe, was dem christlichen Glauben widerspricht“(1)

Shalim Steed Dölger

Der Beauftagte für Weltanschauungsfragen der Rheinischen Landeskirche, Pfr. Andrew Schäfer, hat in einer fundierten Stellungnahme das Auftreten des Leiters der Akademie, „Shalim“ Steed Dölger und die von ihm vertretenen Lehren beschrieben. Anhänger berichteten, dass Dölgers Bild neben den Bildern von Sathya Sai Baba, Babaji und Christus auf dem häuslichen Meditationsaltar vieler Gruppenmitglieder zu finden sei und ein besonderes religiös-spirituelles Verehrungsverhältnis zu Herrn Dölger bestehe. Von ihm bekommen die Anhänger neue, spirituelle Namen vergeben. In deren Erläuterungstexten wird die mit dem neuen kosmischen oder spirituellen Namen für dieses irdische Leben verbundene Aufgabe erklärt und die Bedeutung Shalim Steed Dölgers und die Beziehung zu ihm beschrieben. So heißt es in einem solchen Reading:

„N.n. war in Verbindung von Atlantis in STEEDs Königreich dafür zuständig ...“, bzw. „Unter STEED findet sie den nötigen Schutz, um ihr zartes Innerstes zu entfalten; den Schutz und das behütete Dasein, um ihre zarten Welten wieder zum Scheinen zu bringen.“(2) Die Siegburger Pfarrerin war mit ihrem „spirituellen“ Namen in ihrer Gemeinde aufgetreten.

Inhaltlich vertritt die Gruppe eine Zusammenstellung populärer esoterischer Anschauungen, die Aussagen und Vorstellungskreise der Theosophie, des Neohinduismus, Reinkarnationslehre, und asiatische Energielehren mit Versatzstücken christlicher Überlieferung kombinieren. Christus wird in theosophischer Tradition von dem Menschen Jesus von Nazareth weitgehend gelöst und als kosmischer Avatar verstanden. So schreibt Dölger über Christus:

„Du hast diese Fähigkeit von Jesus Christus in Dir, die körperliche Auferstehung. Jesus Christus, Meister des Lichts, war so voller Licht, dass er aus der Raum-Zeit-Dimension der Erde mit seinem Körper einging in die Himmel. Nichts anderes hast Du zu leisten. Nichts anderes hast Du zu tun. Durch sein Beispiel lautet die Botschaft der Liebe: Mensch, überwinde Deine Begrenzungen. Mensch, überwinde Deine Sterblichkeit. Du bist ein Kind des Lichts, und alle Energien des Lichts stehen Dir zu Verfügung. Du kannst Deinen Körper umwandeln in reines Licht und dadurch körperlich eingehen in das Reich Gottes. ... Du vollziehst jetzt Deine Göttlichkeit.“

Diesen Aussagen stellt Prof. Josuttis in seiner Stellungnahme einzelne Verse aus dem Kolosserbrief (1,15ff), dem Johannesevangelium (1,9) und 1. Korintherbrief (15,35) gegenüber, welche die kosmische Dimension des präexistenten Christus und den Geistleib nach der Auferstehung beschreiben, um daraufhin „Konvergenzen zwischen den Sätzen Dölgers und der Heiligen Schrift“ festzustellen. Eine solche unsaubere Argumentationsweise hätte man bei einem Professor wie Manfred Josuttis nicht erwartet. Aus an den Haaren herbeigezogenen Ähnlichkeiten unter völliger Ignoranz gegenüber den tiefgreifenden weltanschaulichen Differenzen eine theologische Unbedenklichkeit abzuleiten ist eines theologischen Hochschullehrers unwürdig - auch wenn er emeritiert ist. Hat sich Josuttis wirklich mit Dölger und seiner „Theologie“ befasst und ist er nicht in der Lage, das biblische von einem esoterischen monistisch-emanativen Wirklichkeitsverständnis zu unterscheiden? Oder war seine Stellungnahme ein „Schnellschuss“ für eine befreundete Pfarrerin, bei dem er mit viel gutem Willen nach der flüchtigen Lektüre eines Buches versucht hat, das maximal Mögliche herauszuholen? Beide Varianten werfen kein gutes Licht auf Manfred Josuttis und sind geeignet, das Vertrauen in seine theologische Urteilskraft zu beeinträchtigen. Der Vorgang zeigt: Auch die Voten ehemals verdienter Theologieprofessoren bedürfen der kritischen Beurteilung durch eine mündige Gemeinde.

Harald Lamprecht

1. http://www.cyganek-info.de/fragen.html

2. Andrew Schäfer: „Ein König aus einer anderen Galaxie“(1)? Zur Gruppe um Shalim Steed Dölger http://www.ekir.de/ekir/sektenfragen_45884.php

 

 

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Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 5/2007 ab Seite 12