Coronavirus mit Schild „Impfen tötet”

Coronaopfer zu Impftoten umdeklarieren

Wie Verschwörungsideologen Desinformation betreiben

Klagemauer-TV (kla.tv) ist ein Videoportal, das von Anhängern des Schweizer Sektenführerers Ivo Sasek betrieben wird. Es gehört mit zu den größten und extremsten Verbreiten von Verschwörungsmythen. Das war schon vor der Corona-Pandemie so, hat sich jetzt aber noch gesteigert.

Das Problem der Coronatoten

In den letzten Monaten wurde dort immer wieder die Corona-Pandemie als ein bewusst eingesetztes Mittel in der Hand geheimer verschworener „satanischer“ Eliten dargestellt, um die Menschheit zu versklaven. Dieser Plot setzt voraus, dass die Krankheit eigentlich ungefährlich ist, weshalb alle Infektionsschutzmaßnahmen auch unnötig und übertrieben seien und allein der Gängelung der Bevölkerung dienen würden. Mit dem Fortgang der Pandemie hat diese Argumentation aber das Problem, dass sie nicht erklären kann, warum dann so viele Menschen an einer doch angeblich ungefährlichen Krankheit sterben.

Impfungen als Universalerklärung

Mit dem Anlaufen der Impfungen in breiter Linie wird nun dieses Problem dadurch wegerklärt, indem behauptet wird, dass die Todesfälle angeblich nicht durch die Krankheit, sondern erst durch die Impfungen ausgelöst würden. Ein Beitrag auf Kla.tv mit dem Titel „DRINGENDER WECKRUF: Tausende sterben nach Corona-Impfung!“, (kla.tv/18516) der teilweise auch in sächsischen Kirchgemeinden verbreitet wurde und dort Unsicherheiten ausgelöst hat, soll darum hier beispielhaft etwas genauer betrachtet werden.

Reguläre Zulassung

Die Irreführung beginnt damit, dass behauptet wird, die Corona-Impfstoffe hätten nur ein „verkürztes Zulassungsverfahren“ durchlaufen. In Europa (anders Russland und USA) wurden keinerlei Abstriche im Zulassungsverfahren gemacht und alle Stufen regulär durchlaufen. Dass dies schneller ging als sonst, lag an

  1. hohen bereitgestellten Finanzmitteln für die Impfstoffentwicklung, wodurch viele Forscher parallel arbeiten konnten
  2. guter Abstimmung mit den Behörden, um Leerlauf und Wartezeiten zu minimieren
  3. guter internationaler Vernetzung
  4. einer hohen Zahl von freiwilligen Probanden
  5. so paradox es klingt: der weltweit hohen Zahl an Infizierten, wodurch die Tests schnell an sehr vielen Personen durchgeführt werden konnten.

Daraus ergibt sich, dass trotz der verkürzten Zeitdauer noch nie in der Menschheitsgeschichte ein Impfstoff vor seiner Zulassung an so vielen Menschen genauestens getestet und untersucht wurde.

Logikumkehr

Im weiteren Verlauf des Kla.tv-Beitrages werden umfangreiche und auf den ersten Blick möglicherweise erstaunliche Sammlungen von Zeitungsberichten aus Lokalblätten präsentiert, wo es im 1. Quartal 2021, also zu Beginn der Impfkampagne, zu Corona-Ausbrüchen in Pflegeheimen gekommen ist, an denen auch Bewohner verstorben sind. Solche Ausbrüche waren während der gesamten Pandemie ein Problem. Kurz nach der Impfung besteht noch kein Impfschutz. Kla.tv dreht hier Ursache und Wirkung um. Aus der permanenten Betonung von „Tod nach Impfung“ wird hier geschlussfolgert: „Tod durch Impfung“. Keiner der angeführten Zeitungsbeiträge machte die Impfung für die Ausbrüche verantwortlich. Das gibt der kla.tv-Beitrag sogar zu, aber unterstellt Zensur. Absurder geht es kaum. Mit derselben Logik könnte man sagen: Feuerwehrautos erzeugen Brände. Schließlich ist oft irgendwas abgebrannt, nachdem die Feuerwehr da war.

Seltene Nebenwirkungen

Wenn ein hoch wirksames Medikament gegen eine gefährliche Krankheit existiert, das seine Sicherheit bereits an tausenden Probanden bewiesen hat, ist es ethisch irgendwann nicht mehr vertretbar, weitere tausende Kontrollgruppenteilnehmer nur mit Placebo zu versorgen, um sehr selten auftretende Nebenwirkungen zu entdecken. Darum werden sehr seltene Arnzneimittelwirkungen immer erst nach der Zulassung erfasst und erforscht – so auch bei den Corona-Impfstoffen. Dazu betreibt das Paul-Ehrlich-Institut eine Datenbank, in der nicht nur Ärzte, sondern auch Patienten ihre Beobachtungen eintragen können, die dann durch die Fachgremien geprüft werden. Wenn nun Millionen Menschen geimpft werden – ist es da nicht anzunehmen, dass auch diese Meldungen zunehmen? Bei kla.tv wird aus diesem naheliegenden Fakt eine Behauptung zur Unsicherheit der Impfstoffe konstruiert. Dass ernsthafte Meldungen keineswegs ignoriert werden, zeigt der zeitweise Stopp des Impfstoffes von AstraZeneca, obwohl das Mittel dringend gebraucht wird. Weil aber Sinusvenenhrombosen wirklich „sehr selten“ nach einer Impfung aufgetreten sind (nicht öfter als im Bevölkerungsdurchschnitt auch sonst), überwiegt trotz dieser bekannten möglichen Nebenwirkung der Nutzen auch dieses Impfstoffes die Risiken um ein Vielfaches.

Fazit

Der Kla.tv-Beitrag ist ein Beispiel, wie mit Halbwissen und Verdrehung von Fakten Unsicherheit und Angst produziert und zur Verbreitung im Schneeballprinzip geworben wird. Die angegebenen Quellen suggerieren teilweise Seriosität. Folgt man ihnen tatsächlich, findet man dort die Behauptungen nicht belegt oder landet gleich auf den Seiten anderer Verschwörungsideologen. Es bleibt die Empfehlung, sich aus seriösen Quellen zu informieren. Kla.tv gehört nicht dazu.

Hinweise: 

Macht die Impfung unsterblich?

Was bewirkt eine Impfung?

Dem Immunsystem werden Informationen zu dem Erreger gegeben. Das bewirkt, dass das Immunsystem darum viel schneller und effektiver die Viren bekämpfen kann, wenn der Körper tatsächlich damit konfrontiert wird, als wenn es diesen Erreger noch gar nicht kennt.

Nach den bisherigen Studienergebnissen reduzieren die zugelassenen SARS-COV2-Impfstoffe in einem sehr hohen Maß schwere bis tödliche Verläufe einer Infektion.

 

Was bewirkt die Impfung nicht?

1) Die Impfung macht nicht unsterblich. Man kann auch nach der Corona-Impfung an Herz-Kreislauf-Versagen, Krebs, Bluthochdruck und vielen anderen Ursachen versterben. Dass Menschen in Alten- und Pflegeheimen auch nach einer Corona-Impfung sterben, ist daher normal und zu erwarten.

2) Die Impfung wirkt nicht sofort. Der Impfschutz im Organismus muss natürlich erst ausgebildet werden. Wer sich bereits vor oder kurz nach einer Impfung infiziert hat, ist noch nicht geschützt und kann an Covid-19 sterben.

3) Vollständiger Impfschutz besteht erst nach der Zweitimpfung. Bereits die Erstimpfung reduziert in vielen Fällen schwere Verläufe. Infektionen sind aber immer noch möglich.

4) Die Impfung verhindert nicht in jedem Fall eine Infektion. Das Immunsystem wird erst aktiv, wenn es mit den Viren konfrontiert wird. Diese Aktivierung geht mit Impfung viel schneller als ohne und die Viruslast wird in vielen Fällen schnell effektiv gesenkt. Wie stark auch Geimpfte noch Infektionen übertragen können, ist Gegenstand weiterer Untersuchungen. Das scheint selten, aber nicht unmöglich zu sein.

5) Die Impfung erzeugt kein sofortiges Wohlbefinden. 1-3 Tage nach der Impfung können kurzfristige Beschwerden auftreten (Fieber, Abgeschlagenheit etc.). Das sind normale Zeichen, dass das Immunsystem sich mit dem Erreger auseinandersetzt und eine entsprechende Immunantwort aufbaut. Diese Beschwerden verschwinden ohne bleibende Schäden von allein.

 

 

Dr. Harald Lamprecht

ist Beauftragter für Weltanschauungs- und Sektenfragen der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und Geschäftsführer des Evangelischen Bundes Sachsen.

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Dieser Beitrag ist erschienen in Confessio 1/2021 ab Seite 10